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Dschem, bzw. Cem, Djem, Jem oder Zizim war ein Prinz und
Dichter der
Osmanen, der für 20 Tage als
Sultan
über einen kleinen Teil des
Osmanischen Reich herrschte.
Dschem war der drittgeborene Sohn von
Fatih Sultan Mehmed. Seine Mutter war eine Frau im Harem,
deren Name mit Cicek (türkisch für Blume) bekannt ist,
vermutlich eine serbische Prinzessin. Dschem ist der einzige
Sohn, den
Mehmed II. zeugte, nachdem er den Thron bestieg. Dschems
ältere Brüder waren der spätere
Bayezit II. und dem drei Jahre jüngeren Mustafa (geb.
1450).
Sowohl
Bayezit als auch Mustafa waren 1457 von ihrem Vater als
Provinzgouverneure eingesetzt worden und nach Amasya
beziehungsweise Manisa entsendet worden. Sie waren zu diesem
Zeitpunkt neun beziehungsweise sieben Jahre alt. Ihre Posten
traten sie in Begleitung ihrer jeweiligen Mütter und begleitet
von Lehrern und Beratern an. Wie später auch ihr Bruder Dschem
erhielten sie eine sorgfältige Erziehung in Geographie,
Geschichte, Literatur und Naturwissenschaften.
Ähnlich wie seine beiden älteren Brüder wurde auch Cem im
Alter von acht Jahren von seinem Vater als Provinzgouverneur
eingesetzt. Gemeinsam mit seiner Mutter sowie zwei Tutoren
nach Kastamonu im Norden Anatoliens. Nach den Überlieferungen
von Sadüddin wurde er von seinen Lehrern auch in Persisch und
Arabisch unterrichtet, was später bedeutsam für seine
Dichtkunst sein sollte.
Dschem kehrte nach
Istanbul erstmals kurzfristig im Jahre 1470 anlässlich
seiner
Beschneidung zurück. Im Februar 1472 wurde Dschem erneut
nach Istanbul beordert und von seinem Vater als Regent
eingesetzt, während er gemeinsam mit Dschems älteren zwei
Brüdern auf einen Feldzug in Ostanatolien begab. Nachdem im
Winter 1472 über vierzig Tage lang keine Nachrichten aus
Ostanatolien eintrafen, nahmen die Gerüchte zu, dass
Mehmed II. in Ostanatolien gestorben und seine Armee
vernichtet worden sei. Auf Rat seiner Berater ließ sich Dschem
als neuer
Sultan
ausrufen. Kurz darauf trafen Nachrichten ein, dass
Mehmeds II. Feldzug erfolgreich gewesen war und sowohl er
als auch seinen beiden ältesten Söhne wohlbehalten waren.
Dschem floh, weil er den Zorn seines Vaters fürchtete.
Mehmed II. verzieh ihm allerdings seine voreilige
Thronbesteigung und 1473 kehrte Dschem auf seinen Posten als
Provinzgouverneur nach Kastamonu zurück. Sein Bruder Mustafa
erkrankte im Frühjahr 1474 schwer und nachdem er im Juni
verstarb, setzte sein Vater Dschem an dessen Stelle als
Provinzgouverneur von Karaman (Türkei) ein.
Der Überlieferung nach war
Mehmed II. eigentlich unglücklich, Vater eines dritten
Sohnes geworden zu sein, da er die üblichen blutigen Erbkriege
fürchtete. Schließlich hatte
Mehmed II. seinen Halbbruder Ahmet unmittelbar nach dem
Tod seines Vaters hinrichten lassen. In einem seiner Edikte
legte
Mehmed II. später fest, dass es seinem Nachfolger
freistünde, seine Brüder beziehungsweise Halbbrüder hinrichten
zu lassen, um so den Frieden im
Osmanischen Reich zu sichern.
Dementsprechend entbrannte nach dem
Ableben von
Mehmed II. am 3. Mai 1481 ein Machtkampf zwischen
den Brüdern. Bevor
Bayezit II. den Thron für sich festigen konnte, entbrannte
insbesondere ein
intensiver Machtkampf mit seinem Bruder Dschem.
Der Hof war gespalten zwischen den Anhängern Dschems und
den Anhängern
Bayezits. Zu Dschems Anhänger gehörte der Großwesir
Karamami Mehmet sowie der langjährige Oberbefehlshaber Gedik
Ahmet Pascha. Auf
Bayezits Seite standen allerdings die meisten Wesire – und
was sich als viel entscheidender herausstellen sollte – der
Kommandeur der
Janitscharen.
Der Großwesir Karamami Mehmet hatte versucht, den Tod
Mehmet II. möglichst lange geheim zu halten. Heimlich und in
der Nacht hatte er den Leichnam vom Sterbeort Gebze am Golf
von Nicomedeia nach
Istanbul gebracht. Boten waren von ihm ausgesandt worden,
Dschem im fernen
Konya
zu benachrichtigen, damit er nach
Istanbul eilen und den Thron für sich beanspruchen konnte.
Die Boten allerdings wurden von Anhängern
Bayezits abgefangen. Auch den
Janitscharen wussten um die Thronneubesetzung. Sie
stürmten den Topkapi Serayi, wo Mehmet II. aufgebahrt war,
töteten Karamami Mehmet, paradierten durch die Straßen
Istanbuls und riefen
Bayezit zum neuen
Sultan
aus.
Dschem hatte vom Tod seines Vaters erst erfahren, als die
Beisetzung bereits erfolgt war und
Bayezit die Macht übernommen hatte. Dschem entschied sich,
um den Thron zu kämpfen und sammelte in Anatolien Truppen um
sich. Über Akşehir, Afyonkarahisar, Kütahya und Eskişehir zog
er nach Bursa. Etwa 20.000 Mann begleiteten ihn, als er vor
Bursa eintraf, die er nach kurzem Widerstand einnahm. Am 2.
Juni 1481 pries man ihn in den Moscheen von Bursa als neuer
Sultan;
gleichzeitig ließ er die ersten Silbermünzen prägen. Mit
beiden Maßnahmen wollte er signalisieren, dass er als
Sultan
über zumindest diesen Teil des
Osmanischen Reichs herrschte. An seinen Bruder
Bayezit II. richtete er den Vorschlag, das
Osmanischen Reich untereinander zu teilen.
Bayezit II. sollte von
Istanbul aus über die europäischen Provinzen herrschen.
Dschem wollte von Bursa aus über Anatolien herrschen. Bayezit
lehnte diesen Vorschlag ohne zu zögern ab und sammelte
seinerseits Truppen in Iznik, etwa 50 Kilometer nordöstlich
von Bursa. In der Nähe von Yenişehir kam es am 22. Juli 1481
zur Entscheidungsschlacht zwischen den Truppen der Brüder. Den
20.000 Mann unter der Führung von Dschmem standen 40.000 unter
der Führung von
Bayezit gegenüber.
Bayezit hatte außerdem einen der Heeresführer von Dschmem
mit Geldzuwendungen dazu überredet während der Schlacht zu ihm
überzulaufen, was die Schlacht entschied.
Dschem floh unmittelbar nach der Schlacht mit seiner
Familie und einer kleinen Truppe von Anhängern. Sie erreichten
bereits am nächsten Morgen Eskişehir, das knapp neunzig
Kilometer südöstlich von Yenisehir lag. Dort wurden sie von
einer Gruppe Turkmenen überfallen, die sie ihrer letzten
Habseligkeiten beraubte. Am 26. Juni erreichten sie Konya, wo
sie für den Moment sicher waren. Sie brachen allerdings
bereits drei Tage später auf, um in Richtung Südost-Anatolien
weiter zu fliehen. Sie würden damit mameluckisches Territorium
erreichen, wo sie sicher vor weiteren Verfolgungen durch
Bayezit sicher glaubten. Von Eregli aus überquerten sie
das Taurus-Gebirge, um nach Tarsus zu gelangen. Von den
lokalen Fürsten wurde Dschem und seine Anhänger – mittlerweile
eine Gruppe von zweihundert bis dreihundert – gastfreundlich
empfangen. Sie waren Verbündete der
Mamluken und standen damit Sultan
Bayezit II. feindlich gegenüber. Ihre Flucht führte Dschem
und seine Anhänger weiter von Iskenderun an der
Mittelmeerküste über Aleppo, Hama, Homs und Baalbek nach
Damaskus.
Als Gast des
mamlukischen Regenten blieben sie sechs Wochen. Danach
reisten sie über
Jerusalem,
Hebro
und Gaza weiter nach
Kairo,
das sie Anfang Oktober erreichten.
Bayezit II. hatte Dschmem durch den Oberbefehlshaber der
Janitscharen Gedik Ahmet verfolgen lassen. Sein Versagen,
diesen auf seiner Flucht zu stellen, führte zu Gedik Ahmets
Verhaftung. Die
Janitscharen reagierten allerdings auf die Verhaftung
ihres Oberbefehlshabers mit einem Aufstand, stürmten den
Palast und verlangten von
Bayezit II. dessen sofortige Freilassung. Da
Bayezit II. immer noch befürchtete, dass die
Janitscharen sich hinter Dschem stellen könnten, folgte er
der Forderungen. Gedik Ahmet erhielt nicht nur seinen Titel
als Wesir zurück, sondern wurde auch wieder als
Oberbefehlshaber der
Janitscharen eingesetzt.
Der
mamlukische
Sultan
hieß Dschem Hof von Kairo willkommen, da ihm daran lag, dass
sich die Nachfolgestreitigkeiten innerhalb des
Osmanischen Reichs fortsetzten. Dschem nutzte die
Gelegenheit zur
Pilgerfahrt [hadsch] und reiste auch nach
Medina.
Bayezit II. bot Dschem an Cem, die streitigkeiten zu
beenden. Er sollte finanziell unterstützt werden, wenn er sich
in der Nähe von
Jerusalem niederließe. Aber Dschem wollte die Macht.
Kasim Bey, der ehemalige Herrscher über das Gebiet von
Karamania bis osmanische Truppen diese Region eroberten, bot
Dschem an, ihn in einem FEldzug gegen seinen Bruder zu
unterstützen. Auch hieß es, dass Mehmet Aga - unter
Fatih Sultan Mehmed einst Oberbefehlshaber der
Janitscharen - Dschem unterstützen würde. Mit 2.000
Soldaten brach Dschem am 26. März 1482 auf, um nach Adana
zurückzukehren, wo Kasim Bey und Mehmet Aga ihn mit ihren
Truppen erwarteten. Seine Familie – darunter seine Mutter,
sein Sohn Murat und dessen Mutter, seine Tochter Gevher Melek
und mehrere Frauen seines Harems – ließ er im Schutz des
Mamluken zurück.
Bayezit II. war aber gut informiert und versammelte er ein
Heer von 200.000 Mann. Mit großzügigen Geldgeschenken
versuchte er sich die Loyalität seiner Truppe gegen mögliche
Überwechselabsichten abzusichern. Gleich in mehreren
Schlachten verlor die neue Allianz, wobei Mehmet Aga getötet
wurde. Der Rest zog sich ins Taurus-Gebirge zurück.
Kasim Bey riet Dschem, in Europa Exil zu suchen. Dschem
wandte sich mit seiner Bitte um Asyl zunächst in einem Brief
an die Republik Venedig. Venedig lehnte jedoch mit dem Hinweis
auf den bestehenden Friedensvertrag mit den
Osmanen ab. Daraufhin wandte sich Dschem an den
Großmeister des Johanniterordens, Pierre d'Aubusson, den er
während der damals gescheiterten Friedensverhandlungen kennen
gelernt und mit dem er sich gut verstanden hatte. D’Aubusson
hatte sehr rasch auf das Ersuchen von Dschem reagiert.
D’Aubusson spekulierte, dass Dschem eine wichtige Rolle darin
spielen konnte, seinen Bruder von weiteren Feldzügen in Europa
abzuhalten. Kurz nachdem die Galeere, die ihn zum Flaggschiff
des Ordens bringen sollte, den Hafen von Corycus verlassen
hatten, wurde der Ort von Bayezits Truppen besetzt.
Auf den Weg nach Rhodos begleiteten Dschem unter anderem
sein Vorkoster Ayas Bey, sein früherer Lehrer und Tudor Nasuh
Bey, der Bruder seiner Mutter Ali Bey, sein Sekretär Haydar
Bey, sowie mehrere Mitglieder seines früheren Hofstaates. Am
29. Juli 1482 erreichten sie Rhodos. Dort erhielt er ein Haus
zugewiesen. D’Aubusson hatte unterdessen Sixtus IV. darüber
informiert, dass Dschem sich in ihrem Gewahrsam befinde und
bat ihn um Erlaubnis, mit Bayezit Verhandlungen aufzunehmen.
Sobald die Zustimmung des Papstes vorlag, informierte
d’Aubusson Bayezit darüber, dass von nun an der Orden
keinerlei Tributzahlungen mehr leisten würden. Er bat
stattdessen darum, dass den Einwohnern von Rhodos zu
gestatten, im gesamten osmanischen Reich freien Handel zu
betreiben und dafür nur die normalen Zölle und Gebühren
entrichten zu müssen. Die Kosten für den Unterhalt von Dschem
und seinem Gefolge sollte
Bayezit II. durch eine jährliche Zahlung von 45.000
Dukaten übernehmen. Dafür sicherte d’Aubusson dem Sultan zu,
er werde er dafür sorgen, dass Dschem keinen weiteren Krieg
gegen seinen Bruder führen würde. Dschem gierte aber weiterhin
nach der Macht und bot an, dass falls ihn die christlichen
Fürsten in der Eroberung seines Thrones unterstützen würden,
alle ehemals christlichen Territorien, die unter
Osmanen standen, zurückgegeben werden sollten. Zwar
glaubte man ihm letzteres nicht, aber auf Wunsch Dschems,
brachte man seine Familie und sein Gefolge auch nach Rhodos.
Die Anzahl der Personen, die Dschem in seinem Exil in Rhodos
Gesellschaft geleistet haben soll 37 gewesen sein.
Mit der Begründung, dass Rhodos nicht als sicher genug
gelte, schickte d'Aubusson Dschem, mit dessen Einwilligung,
nach Frankreich, wo er sechs Jahre in verschiedenen Burgen des
Ordens unter der Bewachung von d'Aubussons Neffen Guy de
Blanchefort stand. 1489 wurde Dschem an Papst Innozenz VIII.
ausgeliefert, der mit den Königen von Ungarn und von Neapel um
den Besitz dieser wertvollen Geisel gewetteifert hatte. Später wurde
Dschem Papst Innozenz VIII. anvertraut, der ihn
nicht nur benutzte, um dem
Sultan
eine jährliche Zahlung zu entlocken, damit er ihn weiter als
"Gast" gefangen hielt sondern auch, um
Bayezits II.
Eroberungspläne im Mittelmeerraum einzudämmen mit der Drohung,
den Machtrivalen frei zu lassen und zu unterstützen. Der
nächste Papst Alexander VI. übernahm den "Gast" und drohte
Bayezit II. damit, dass Karl VIII.
Dschem als
Sultan
einsetzen und unterstützen wolle. Sein Ziel war, dass der
osmanische
Sultan
dem Papst gegen den mächtigen Kaiser half. D'Aubusson erhielt
als Gegenleistung kurz darauf, am 9. März 1489, für sich und
seine Nachfolger als Großmeister die Kardinalswürde.
Mit Billigung des Papstes fand Dschem Asyl in Italien.
Dschem starb im Februar 1495 in Neapel. Es ist gemutmaßt
worden, dass
Bayezit II. den Papst bestach, um
Dschem zu vergiften,
wofür es aber keinen Nachweis gibt. Eigens für ihn und seine
Nachkommen schufen der Papst 1492 und der König von Neapel
(König von Spanien) 1509 den kaiserlichen Titel der "Fürsten
von Said" bzw. "Grafen von Said", welcher auch vom deutschen
Kaiser Friedrich III. bestätigt wurde. Diese
osmanischen Fürsten der Europäer bis 1600 in Neapel,
danach bis 1668 in Sizilien und übersiedelten schließlich
größtenteils nach Malta, worauf sich das Fürstenhaus in eine
sizilianische und maltesische Linie spaltete. Die Sizilianer
gingen im italienischen Adel auf, die Malteser mit Napoleons
Invasion 1798 unter.
Die wichtigste schriftliche Überlieferung über das Leben
von Sultan Cem stammt von dem türkischen Historiker Sadüddin,
der eine Geschichte des Osmanischen Reiches bis 1520
veröffentlichte.
Während seiner diversen Exile war Dschem auch als Dichter
hervorgetreten. Seine Liebesgedichte zeugen von einer
mystischen Ausrichtung.
Eines seiner Gedichte hat
Prof. Annemarie Schimmel in Reimform ins Deutsche
übertragen. Siehe dazu
Liste der veröffentlichten Gedichte zum Islam.