Kurt Faber
Kurt Faber

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??? - ??? n.d.H.
6.12.1883 - 1929 n.Chr.

.Bücher zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.

Kurt Faber war ein deutscher Politologe, Abenteurer und Reiseschriftsteller. Er gilt als einer der ersten im 20. Jh. der die Prozessionen zu Aschura im Iran miterlebt und in deutscher Sprache geschildert hat.

Kurt Faber ist am 6.12.1883 in Mülhausen als Sohn eines pfälzischen Lehrers geboren und wuchs in Lambrecht (Pfalz) auf. Vor dem Abitur brach er den Schulbesuch ab und begann eine Buchhändlerlehre, die er jedoch ebenfalls aufgab, um stattdessen auf Reisen zu gehen.

Zwischen seinen zahllosen Reisen kehrte er mehrmals wieder nach Deutschland zurück und holte das Abitur nach. Er studierte Politikwissenschaften in Tübingen und promovierte. Nach seinem Studium setzte er seine Reisen weiter fort und wurde Zeitungskorrespondent. Faber starb nach einem Kälteeinbruch am großen Sklavensee in Nordkanada im Alter von 46 Jahren. Seine von Tieren angefressene Leiche wurde von Eskimos am 26. Februar 1929 am Hay River, etwa 25 km vom großen Sklavensee gefunden.

Über seine Reisen schrieb er Beiträge in deutschen Zeitungen und veröffentlichte sie außerdem in Buchform. Mehrere seiner Bücher wurden von seinem Bruder Walter Faber herausgegeben. Bei einen Reisebericht "mit dem Rucksack nach Indien" (1927) schildert er, wie er Aschura im Iran war:

"An der anderen Seite des Passes sollten wir eine größere Stadt mit Namen Bastak antreffen, und ich freute mich schon auf die frischen Brote, auf die süße Milch und auf die Wassermelonen, die man dort bekommen könnte. Aber es war ein Platz, der noch ärmlicher war als die anderen, und überdies waren es nur noch einige Tage bis zum zehnten Muharrem. Man muß in Persien gewesen sein, um zu wissen, was das bedeutet. Der Muharrem ist der erste Monat des Mondjahres, und der zehnte Tag dieses Monats ist der Jahrestag der Schlacht von Kerbela, in der der Enkel Mohammeds, Hussein, der Sohn Alis, im Kampfe fiel und damit die ihm als direktem Nachkommen zustehende Kalifenwürde den Omajiden zufiel. Das ist die Lehre der in Persien ansässigen Schiiten, die in diesem zehnten Muharrem nicht nur einen religiösen, sondern mehr im Unterbewußtsein auch einen nationalen Trauertag sehen, der die Unterwerfung ihrer eigenen stolzen Kultur unter die Araber versinnbildlicht. Kein anderer Trauertag wird mit solcher Inbrunst gefeiert wie der Muharrem in Persien. In den größeren Städten werden unter dem Namen »Tazie« bekannte Dramen und Mysterienspiele aufgeführt, die die Vorgänge von Kerbela und die tragischen Schicksale der Familie Ali oft so plastisch darstellen, daß die beschwingte orientalische Phantasie der Zuschauer ins Kochen gerät und Lynchjustiz an den gegnerischen Darstellern übt. In kleineren Orten wird der Tag weniger pompös, aber mit ebensoviel Gefühl gefeiert; in solchen Orten wie Bastak natürlich am meisten, weil sie die einzigen Glanzpunkte in der Leere des Daseins sind.

Harum al Raschid, oder wie er hieß, hatte versprochen, mich in zwölf Tagen nach Lingah zu bringen. Aber der Muharrem war stärker als alle seine Vorsätze. In Bastak schickte er seine Esel auf die Weide, logierte sich ein bei einem seiner vielen Bekannten und war fortan für nichts mehr zu sprechen.

Wenn ich je wie ein Hund auf der Straße lag, so war es hier. Kein Gläubiger nahm mich auf in sein Haus. Jeder Mensch ging um mich herum in großem Bogen, wie um etwas Unreines. Mir war, als ob selbst die Hunde mich verächtlich anschauten. Tagsüber saß ich im Schatten an einer Straßenecke und kaute Datteln, die ich mir in den Hainen auflas und nachts zog ich mich aus Furcht vor Unheil weit zurück nach irgendeinem Brunnen, wo knurrende Hunde um mich schlichen und große Bremsen mit giftigem Stachel mich aus dem Schlafe weckten. Und alle die Zeit kam es aus der Ferne wie der Klang dumpfer Trommeln, wenn die Männer im Takte mit den Fäusten auf die nackte Brust schlugen und dazu ein dumpfes, eintöniges Lied sangen, in dem immer wieder die Worte: Hussein, Hassan, Kerbela vorkamen.

So ging das ungefähr fünf bis sechs Tage lang, und dann kam der zehnte Muharrem und mit ihm die Prozession, deren Anblick ich mir nicht entgehen lassen wollte, trotz der haßerfüllten Blicke der fanatisierten Menge. Voran kam einer mit einer Trommel auf einem Kamel. Dann folgte ein langer Zug von Männern und Knaben, die mit den Fäusten die nackte Brust bearbeiteten und dabei immer noch die alte Leier brüllten, die ich schon so gut kannte:

»Hussein, Hassan, Kerbela!«

Und dann folgte etwas, was man selbst in Persien nicht für möglich gehalten hätte:

Eine Anzahl kräftiger Männer tanzte, etwa wie bei der Springprozession zu Echternach, über die heiße Straße, immer je zwei mit dem Gesicht gegeneinander gewendet. Bis auf große weiße Hosen waren sie ganz nackt und in den Händen trugen sie lange Schwerter, mit denen sie sich andauernd die entsetzlichsten Wunden im Gesicht und am Körper beibrachten. Bereits waren sie über und über mit Blut bedeckt, aber noch immer wilder und rücksichtsloser arbeiteten sie sich in diesen Rausch der Selbstkasteiung. Immer rasender wurde das Publikum. Wohin man schaute, sah man nackte Arme, die sich zum Himmel reckten, wilde Augen, wahnsinnverzerrte Gesichter, von Fanatismus toll gewordene Menschen, die im Takte die Brust mit den Fäusten bearbeiteten: »Hussein! Hassan! Kerbela!«

Es roch nach Schweiß. Der Blutgeruch stieg in den heißen Tag. Ich machte mich dünn und ließ mich während des ganzen Tages nicht mehr blicken. –

Und am anderen – am elften Muharrem – war die Welt wieder wie umgewandelt. "

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