Karagöztheater
Karagöztheater - Schattenspiel Karagöz und Hacivat

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Bild: Karagöz (rechts) und Hacivat

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Karagöztheater ist ein traditionelles türkische Schattenspiel. Im türkischen Orignal heißt es "Karagöz und Hacivat" benannt nach den beiden Hauptfiguren.

Beim ursprünglichen Schattenspiel wird ein "Tasvir" genanntes, als Mensch, Tier oder Gegenstand geformtes Stück aus einem Kamel- oder Kuhfell auf einen weißem Vorhang bei starkem Licht von hinten hin und her bewegt. Viele Figuren besitzen Gelenke und sind daher in sich beweglich.

Die beiden Hauptfiguren sind Karagöz (Dunkelauge) und Hacivat.

Karagöz ist ein lebensfroher, einfacher, aber witzig-gerissener Mann aus dem Volk. Er ist eine ungehobelte, sinnenfreudige Figur, die aus Geldmangel häufig Aufgaben übernehmen muss, die es nicht bewältigen kann, es aber ungern zugibt.

Hacivat ist ein gebildeter Vertreter der städtischen Bildungsschicht und der höflich-gebildete Nachbar des Karagöz. Im Großen Wörterbuch für Türkisch des Türk Dil Kurumu (Institut für die türkische Sprache) wird er folgendermaßen beschrieben: „Hacivat verträgt sich mit jedem und verfolgt so seine Interessen, er ist maßvoll und kann in alle Rollen schlüpfen. Er ist jemand, der, wenn es für seine eigenen Interessen von Vorteil ist, auch mal ein Auge zudrückt. Da er ein wenig Schulbildung besitzt, weiß er von allem zumindest etwas und ist somit ein Halbintellektueller. Er hält sich an die gesellschaftlichen Verhaltensregeln, jedoch nicht aus Überzeugung. Hacivat übt jeden Beruf für Geld aus, angefangen vom Muhtar (Dorfvorsteher) bis zum Ehevermittler (çöpçatan). Er versteht etwas vom Handeln und strengt sich beim Geldverdienen nicht an. Harte Arbeiten lässt er Karagöz für einen geringen Lohn verrichten. Hacivat verkörpert meistens die Rolle des Arbeitgebers und ist somit der Vertreter der gesellschaftlichen Ordnung. Vom Charakter her ist er ein Opportunist. Hacivat liebt es, sich geschwollen und in osmanischer Hochsprache auszudrücken. Diese Art von Konversation ist in seinem Interesse, wenn die Dinge komplizierter werden und er einige unverständliche osmanische Begriffe in das Gespräch einbringt und somit seinen Hals aus der Schlinge rettet.“

Neben diesen beiden Figuren treten im Karagöztheater weitere Charaktere auf. Bei diesen handelt es sich um Repräsentanten der Istanbuler Gesellschaft und der verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen des Osmanischen Reichs, aber auch um Randgruppenvertreter sowie Fabelwesen. Je gegensätzlicher die dargestellten Charaktere der einzelnen Figuren sind, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich im Schattenspiel für Komik, Ironie und Satire. Mitunter auch als eine sozialkritisch geprägte Theatergattung ist das Schattenspiel ein Spiegel der spätosmanischen Gesellschaft.

Weitere Figuren sind im einzelnen:

bulletweibliche Charaktere: Zenneler, Kanlı Nigar, Salkım İnci, Ehefrau von Karagöz, Tochter Hacivats; Canan (die Geliebte)
bulletSprecher der Istanbuler Mundart: Çelebi und Tiryaki...
bulletAnatolier: Laz (der Lase), Bolulu (aus Bolu), Kayserili (aus Kayseri), Kürt (Kurde) und Kastamonulu (aus Kastamonu), die jeweisl auch durch den Dialekt kenntlich gemacht werden.
bulletCharaktere außerhalb Anatoliens: Arnavut (Albaner), Arap (Araber) und Acem (Iraner)...
bulletNichtmuslime: Rum (Grieche), Ermeni (Armenier) und Yahudi (Jude)...
bulletSchuldige und seelisch Kranke: Kekeme (Stotterer), Kambur (Buckliger), Tuzsuz Deli Bekir (Irrer)...
bulletGangster und Betrunkene: Matiz, Casuslar (Spione und Schnüffler), Sarhoş (Betrunkener)...
bulletSchauspieler und Künstler: Köçek, Çengi (Tänzerin und Musikantin), Cambaz (Seiltänzer) und Hokkabaz (Zauberkünstler)...
bulletGeisterwesen: Dschinn
bulletNebenerscheinungen: Satıcılar (Verkäufer)...

Es wird vermutet, dass das Schattenspiel aus Südostasien stammt. Über die Einführung in die Türkei gibt es unterschiedliche Vorstellungen.

Gegenüber anderen Formen des Theaters, insbesondere auch dem Spiel mit dreidimensionalen Puppen, hatte das Karagöz insofern einen Vorteil, als es menschliche Wesen nur sehr mittelbar abbildet und damit in geringerem Maße gegen die Problematik des zuweilen existierenden Bilderverbots verstieß.

Zur Zeit der Osmanen gelangte das Karagöztheater auch nach Griechenland, wo es bis heute unter dem Namen "Karagiozis" (Καραγκιόζης) populär ist. Interessanterweise verkörpert der "Karagiozis" im heutigen griechischen Volkstheater den einfachen, armen, bauernschlauen Griechen, der sich tapfer gegen die osmanische Fremdherrschaft behauptet.

Traditionell wurde das Schattenspiel insbesondere während des Monats Ramadan und bei Festen aufgeführt. Die Aufführungen fanden in Kaffeehäusern, in Privatwohnungen wohlhabender Bürger, aber auch am Sultanshof statt. Karagözspieler (karagözcü, hayyâlbâz) boten früher für jeden Tag im Ramadan dem Publikum ein anderes Stück dar und spielten somit 30 unterschiedliche Stücke, wobei teilweise improvisiert wurde. Bis zum 19. Jahrhundert existierten keine schriftlichen Textvorlagen.

Ein Karagöz-Stück besteht traditionell aus einem mystischen Ghazel ("perde gazeli"), einem Dialog ("muhavere"), der Haupthandlung ("fasıl") und einem Epilog. Die Bühne wird zu beiden Seiten von den Häusern der Hauptdarsteller Karagöz und Hacivat begrenzt. Die Spielfiguren bestehen aus gefärbtem, durchscheinendem Rinder- oder Kamelleder, sind in sich beweglich und meist 20-40 Zentimeter hoch. Sie werden gegen ein mit Öllampen oder Kerzen erleuchtetes Gewebe gedrückt und mit einem bzw. die Hauptfigur mit zwei Stöcken bewegt.

Alle Schattenspielfiguren wurden ursprünglich von einem einzigen Karagözspieler geführt. Er sprach die Stimmen der verschiedenen Figuren in unterschiedlichen Tonlagen, sang auch Lieder und sorgte für Begleitgeräusche. Zu einer vollständigen Schattenspielgruppe gehörten noch zwei Musikanten, die Schellentrommel ("daire") und Flöte spielen.

Oft wird das Schattenspiel mit dem deutschen Kasperletheater verglichen, was von Niveau und Inhalt her aber nur selten vergleichbar ist. Eher hat das Schattenspiel eine Wirkung wie die Hofnarren, denen auch eine Art satirische Hofkritik zugebilligt wurde.


Historische Figuren auf dem Bazar in Istanbul (2009)

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