Überlieferung
Überlieferung [hadith]

Aussprache: hadiith
arabisch:
الحديث
persisch:
حديث
englisch:
tradition

Bild: Umschlag der englischen Übersetzung von al-Kafi

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Der Begriff "Hadith" (Überlieferung) bedeutet zunächst "Mitteilung", "Erzählung" oder "Bericht".

Im islamisch-religiösen Gebrauch bezeichnet der Begriff die in der ersten Zeit mündlichen und später schriftlichen Überlieferungen von und über den Propheten und/oder die Ahl-ul-Bait: Über ihre Verfahrensweise [sunna] welche sich zusammen setzt aus ihren Anweisungen, nachahmenswerten Handlungen, Billigungen, Empfehlungen, Geboten und Verboten sowie Hinweisen zur Moral [achlaq]. Die Aussagen dienen als Erläuterung des Heiligen Qur'an dessen vorgelebtes Ideal die Ahl-ul-Bait verkörpern, denn der Heilige Qur'an beinhaltet nach islamischen Vorstellungen sämtliche Informationen, doch sind nur die Reinen [masum], also die Ahl-ul-Bait in der Lage, dieses vollständig zu verstehen, so dass deren Vorbild [sunna] dazu dient, den Heiligen Qur'an zu leben.

Eine Sonderform der Überlieferung ist die Heilige Überlieferung [hadith qudsi].

Grundsätzlich  besteht eine Überlieferung in ihrer äußeren Struktur aus zwei Teilen, wie am folgenden Beispiel verdeutlicht:

"Abu Bakr Muhammad ibn ‘Umar al-Dschiabi berichtete mir: Ahmad ibn Isa Abu Dschafar al-Idschli berichtete uns: Ismail ibn ‘Abdullah ibn Chalid erzählte uns: ‘Ubaidullah ibn ‘Umar sagte zu uns: ‘Abdullah ibn Muhammad ibn ‘Aqil berichtete uns von Hamza ibn Abi Said al-Chudri, von seinem Vater:
Ich hörte den Gesandten Allahs (s.) sagen: "Ich bin die Stadt des Wissens, und Ali ist das Tor zu ihr. Wer das Wissen begehrt, der soll es von ‘Ali (a.) erwerben."

Der obere Teil der Überlieferung ist die Überlieferungskette [isnad], die vom Prophet Muhammad (s.) bis zum Autor des schriftlichen Werks reicht. Der untere Teil der Überlieferung enthält den eigentlichen Inhalt [matn].

Die Kritik der Überlieferungen stellt einen gesamten Wissenschaftsbereich im Islam dar. Die Überlieferung darf zunächst einmal keinen Widerspruch zum Heiligen Qur'an aufweisen. Darüber hinaus bietet die Überlieferungskette [isnad] die Gelegenheit, ihre Glaubwürdigkeit einzuschätzen.

Es gibt sehr unterschiedliche Kriterien zur Beurteilung von Überlieferungen und entsprechend sind die Einteilungen von Überlieferungswissenschaftlern ebenfalls unterschiedlich. Bekannt sind die Einteilung nach der Qualität in:

bulletwahr, authentisch [sahih / صحيح ]
bulletschön, gut [hasan / حسن ] sind Überlieferungen, die sowohl inhaltlich als auch mit Hinblick auf ihre Überlieferer allgemeine Akzeptanz haben und somit normativen Charakter in der Anwendung allerdings entweder keine Bestätigung finden oder einen anderen Schwachpunkt aufweisen
bulletschwach [da'if / ضعيف ] ist dagegen eine Überlieferung, die eine zweifelhafte Authentizität haben.
bulletgefälscht [maudu / موضوع ]

Weitere Unterkategorien dienen der weiteren Differenzierung. Ein wesentlicher Unterschied bei der Beurteilung von Überlieferungen zwischen Sunniten und Schiiten liegt darin, dass sunnitische Gelehrte auf die Beurteilung vorangegangener verstorbener Gelehrter zurückgreifen können, wohingegen ein schiitischer Rechtsgelehrter [mudschtahid] für seine selbständige Rechtsfindung [idschtihad] jeweils jede verwendete Überlieferung selbst beurteilen muss.

Auch in der Beurteilung der Überlieferer gibt es große Unterschiede da Sunniten auch viele derjenigen als glaubwürdig einstufen, welche blutige Kriege gegen die Ahl-ul-Bait (a.) eröffnet haben, wohingegen jene bei Schiiten als unglaubwürdig gelten.

Zu den Beurteilungskriterien für eine Überlieferungskette gehören unter anderem:

bulletLückenlos [musnad / مسند ] bis auf den Ursprung der Aussage zurückführbar mit chronologisch ununterbrochener Überliefererkette.
bulletUnvollständig [ mursal / مرسل ] In der Kette fehlt das letzte Glied, obwohl die überliefernde Autorität einen Prophetenspruch zitiert, den er selbst nicht gehört bzw. erlebt haben kann.
bulletUnterbrochen [munqati / منقطع ] ist eine Überlieferungskette, wenn z.B. zwei Personen darin einander etwas übermitteln, obwohl sie sich nicht getroffen haben können und somit offenbar jemand dazwischen fehlt. Hierbei gibt es weitere Abstufungen, je nachdem wie viele Unterbrechungen vorliegen.

In der Sammlung und späteren Beurteilung von Überlieferungen gibt es zeitlich unterschiedliche Anfangszeitpunkte, da der erste Kalif Abu Bakr das schriftliche Niederlegen von Prophetenworten untersagte, wohingegen die Anhänger Imam Alis (a.) dies von Anfang an taten.

Nach und nach wurden die Überlieferungen in Sammelwerken zusammengefasst. Die bedeutsamsten Sammelwerke für Schiiten sind die Vier Bücher [kutub arba'a].

Während obige Sammler bereits eine eigene Auswahl getroffen und Bewertungen durchgeführt haben, beinhaltet das mit Abstand umfassendste Werk der Überlieferungssammlungen Bihar-ul-Anwar keine Bewertungen sondern dient als unerschöpfliche Quelle für jeden Wissenschaftler.

Bei Sunniten genießen Sechs Bücher [al-kutub as-sitta]  die höchste Aufmerksamkeit. Als weitere Sammelwerke werden genannt:

bulletAl-Muwatta von Malik ibn Anas
bulletMusnad ibn Hanbal von Ahmad ibn Hanbal

In der Zeit unmittelbar nach dem Propheten Muhammad (s.) galt ein Überlieferungsverbot. Die Ahl-ul-Bait (a.) haben sowohl in jener Zeit als auch später das Erlernen und Weitergeben von Überlieferungen gelobt. Allerdings hat Imam Sadiq (a.) darauf hingewiesen: „Falls jemand einen Hadith für weltliches Nutzen erlernt, so hat er im Jenseits nichts davon. Wenn jemand einen Hadith für das Jenseits erlernt, so wird ER (Gott) ihn im Diesseits und im Jenseits Nutzen zukommen lassen“. (Bihar-ul-Anwar Band 1, Seite 111)

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