Aus dem Lateinischen
Klemens XIV., Papst, entbietet Unserem lieben Vetter in
Abraham, Osman Molla, Mufti der Hohen Pforte, seinen Gruß.
Unser lieber Vetter in Abraham!
Wiewohl Wir Euch nicht Unseren lieben Sohn in Christo
nennen können, wiewohl Ihr beschnitten und ungetauft seid,
wiewohl Ihr Mohammed dem heiligen Petrus vorzieht, danken Wir
Euch und dem ganzen erhabenen Kollegium der Imams doch nicht
minder für den Beistand, den Ihr Uns durch Euer Fetwa wider
die Gottlosen geleistet, die sich zu Feinden der
römisch-katholischen apostolischen Religion aufgeworfen haben.
Gottes Wege sind nicht die Wege der Menschen. Es hat Gott
gefallen, durch den Arm der Muselmanen den Glauben der Apostel
zu unterstützen. Darum segnen Wir mit Unserem wirksamen Segen
die Fahne des Propheten, die, vor Euren unüberwindlichen
Janitscharen wehend, Unsere geliebten Söhne, die Bischöfe von
Polen, befreien wird von jenem Auswurf der Hölle, jenen
verstockten Ketzern, jenen abscheulichen Dissidenten, die man
vom Erdboden ausrotten sollte mitsamt ihren Beschützern, den
schismatischen Russen, die so unverschämt sind, den Heiligen
Geist nicht so ausgehen zu lassen, wie es die Kirche zu
bestimmen für gut fand. Mit frommem und heiligem Haß hassen
Wir alle, die nicht so denken wie Wir. Unzweifelhaft war Euer
großer Prophet der gleichen Gesinnung; und hätte er Unsere
Feinde gekannt, er hätte sie von seinem schmalen Steg herab
derb in den Abgrund gestürzt.
Ach, lieber Vetter! Wenn wir uns gut auf unseren Vorteil
verstehen, so müssen wir, als Leute vom Handwerk, uns
gegenwärtig enger denn je verbinden, um uns durch
gemeinschaftliche Bemühungen aufrechtzuerhalten und unser
Ansehen gegenseitig zu befestigen. Unseren Händen ist das
Schwert anvertraut. Gottes Sache ist unsere Sache, oder wenn
Ihr wollt, ist unsere Sache die seinige, und es ist doch
schön, einen allmächtigen Gott zu rächen! Ich, sein
Statthalter, und Ihr, ich weiß nicht was, wir beide stellen
ihn in den Ländern dar, wo Gewohnheit, Lehre und Ansehen uns
die Herrschaft geben. So wollen Wir denn gut muselmanisch und
Ihr gut katholisch zu sein trachten, um unsere Kräfte gegen
Die zu vereinigen, die uns mißfallen oder die des lange
getragenen Joches müde sind und es abwerfen wollen. Blinder
Gehorsam artet in den Geist des Aufruhrs aus. Die gottlose
Vernunft wagt sich dreist an die Prüfung dessen, was sie in
Einfalt anbeten sollte, und um das Unglück voll zu machen,
unterstehen sich die Menschen, selbst zu denken, statt wie in
der guten alten Zeit ihre Gedanken nach Unseren heiligen
Befehlen zu richten. Ihr, edler Mufti, habt Omars großes
Schisma und die neuen Sekten zu bekämpfen, die gleich der
Hydra ihre immer neu erstehenden Köpfe wider den Koran Eures
großen Propheten erheben. Wir haben aufrührerische Söhne, die
Uns verfolgen, die Uns taub gemacht haben, damit Wir sie nicht
hören, und stumm, damit Wir ihnen nicht antworten müssen. Wenn
wir uns zusammentun, so werdet Ihr Unsere Exkommunikationen
mit Euren tapferen Janitscharen unterstützen, Wir aber werden
von Unserem Heiligen Stuhl das Anathema gegen Eure Omaristen
herabdonnern. Möge der barmherzige Gott alle, die nicht so
denken wie wir, zum Heil ihrer Seelen ausrotten, die
Schismatiker, die Ketzer, die Omaristen und nicht zu vergessen
die Philosophen, eine Sekte, die noch verkehrter, ungläubiger
und vernünftelnder ist als alle anderen. Wir können nicht
umhin, Euren großen Propheten zu preisen, daß er so weise war,
bei Euch Mohammedanern für heilige und fromme Unwissenheit in
allen Dingen zu sorgen. Einer Unserer Vorgänger, Leo X., war
weniger weise und bei weitem unbesonnener. Er beschützte die
abscheulichen Wissenschaften, die die Menschen aufklären und
ihnen den Geist des Schwindels und der Unabhängigkeit
einflößen, dessen verderbliche Fortschritte den Altar
untergraben, indem sie Unseren Thron erschüttern. Ach! Warum
sind die Christen im Punkte der Unwissenheit keine Muselmanen!
Ihr sehet, Unser Vetter in Abraham, wir kommen Euch näher;
wir wünschen so unwissend zu sein wie Ihr. Warum sollte die
Hohe Pforte nicht an die dreißig Konzile annehmen? Sie würden
im Verein mit dem Koran und der gottseligen Unwissenheit, in
der Ihr verharrt, alle Muselmanen der unendlichen Herrlichkeit
der Heiligen würdig machen, die mit Abraham, Isaak und Jakob
in ungetrübter Seligkeit leben. Jeden Tag werfe ich mich
nieder vor dem Gott Abrahams, der auch der Eure ist, und flehe
ihn mit Tränen und Zerknirschung an, Euren Geist und Euer Herz
unserem Glauben zuzuwenden und Euch aufzunehmen in seine
heilige Herde. Aber die Wege seiner Vorsehung sind unseren
Augen verborgen. Eure Stunde ist noch nicht gekommen. Bis daß
sie erscheint, flehe ich zu Gott, seinem Sohn und der ganzen
Schar der Heiligen, daß sie die unüberwindlichen Heere der
Hohen Pforte stärken, segnen und beschirmen. Schon öffnen sich
meine Augen. Ja, ich sehe, ich sehe Eure unbezwinglichen
Janitscharen über die Schismatiker, die Ketzer und die
Legionen der Hyperboräer triumphieren. Reinigt denn das
sarmatische Zion von den Moabitern und Amalekitern, die es
entweihen! Setzet unsere heiligen Bischöfe wieder auf ihre
verlassenen Stühle und rächet im Namen Mohammeds den heiligen
Petrus, seine Schlüssel, seine Kirche!
O Mufti, bester Mufti, den das osmanische Reich je gehabt
hat! Wir danken Euch nochmals für Euer heiliges Fetwa, das
Euren jetzigen Krieg sanktioniert und den großen Mann auf alle
Eure Feinde schleudert, die auch die Feinde der Kirche sind.
Verlaßt Euch auf Unsere Unfehlbarkeit, wenn wir Euch
glücklichen Erfolg weissagen, und vertraut mit fester Hoffnung
darauf, daß der Himmel die Wahrheit Unserer Verheißungen durch
furchtbare Niederlagen Eurer Feinde bestätigen wird. Wir
schließen Euch, Unser lieber Vetter in Abraham, in Unser
väterliches Herz und geben Euch den apostolischen Segen.
Rom, den 4. August, im ersten Jahre Unseres Pontifikats
(1769)