Zivilisation und ...

Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preußischen Hof

Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preußens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II.

Dissertation Otto Müller 1918 n.Chr.

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Szegedin

Adakal'e liegt Orsowa gegenüber. Ursprünglich sollten die Absteigequartiere in dieser Festung sein. Da sie aber aus verschiedenen Gründen nach Orsowa verlegt waren, so kam bei unserer Annäherung an Adakal'e von dem mit der Schutzherrschaft dieser Festung betrauten General ein Major zu uns und meldete, nachdem er sich nach unserem Wohl und Ergehen erkundigt hatte, dass Reisepferde für uns in Orsowa seien, und dass ein Kapudan zu unserm Geleit nach Temeswar bestimmt sei. So wurde geradenwegs nach Orsowa gegangen.

Wir ruhten dort eine Nacht. Am folgenden Tage wurde unter Führung des erwähnten Kapudans durch den Engpass von Mehadia nach Temeswar aufgebrochen und diese Festung in fünf Tagen erreicht. Da der Statthalter derselben, ein General spanischer Herkunft, ein gastfreundlicher Mann war, so sandte er uns sogleich bei unserer Ankunft in Temeswar durch einen besonderen Boten, nachdem er sich nach unserem Wohlbefinden erkundigt hatte, eine Einladung in seinen Konak und bezeigte uns in höflichster und entgegenkommendster Weise alle Gastfreundschaft. Weil auf einigen der auf dem Wege von Temesswar nach Budin (Budapest) gelegenen Stationen keine Gelegenheit zum Übernachten war, so wurde im Verlauf eines Gespräches mit dem genannten General beraten, wie man am besten nach Budin gelangen könnte. Er meinte, falls am Tage je 8 Stunden gefahren würde, könnten zur Nacht passende Quartiere gefunden werden. Wollte man aber mehr als je 8 Stunden taliren, so würde das auf den durch den herannahenden Winter beschwerlichen Wegen zu sehr anstrengen. Wir beschlossen deshalb, mit täglich je 8 Stunden in 10 Tagen nach Budin zu fahren.

Mit dem von dem General zu unserer Begleitung bestimmten Offizial wurde nun in der Richtung nach Budin aufgebrochen. Am dritten Tage unserer Abreise von Temeswar erreichten wir Kikinda, und am vierten Tage setzten wir in einem ,,Boot" genannten Kahn über den Theißfluß, der die Provinz Temeswar von der Provinz Budin trennt. Wir beschlossen jetzt, gleich nach der Szegedin genannten Festung auf dem Wege zu bleiben.

Diese Festung ist aus Backstein gebaut. Ihrer Geschütze und Munitionslager beraubt, hat sie, kurz gesagt, ihr Ansehen als Festung verloren Wir stellten durch Augenschein fest, dass sich in ihr ein Festungskommandant genannter Major mit etwa 200 kränkst liehen, dienstunfähigen „Soldaten" befand. Weil der vorige österreichische Kaiser Josephus die seit langem bestehenden Freiheiten der Ungarn bestritt und aufhob, und durch Auferlegung einiger lästiger Pflichten, an die sie nicht gewöhnt waren, Verdrui erregt hatte, so hat sein Bruder Leopoldus, der jetzt österreichischer Kaiser ist, um die Ungarn zu besänftigen, ihre althergebrachten Freiheiten wieder bestätigt; und da er mit der Ernennung seines vierten Sohnes zu ihrem Paladin, d. h zähit, sie wieder versöhnt und ihnen seine Gunst bezeugt hat, so veranstaltete die Einwohnerschaft Szegedins aus Dankbarkeit für das ihnen vom Kaiser erwiesene, gütige Wohlwollen am Tage unserer Ankunft in ihrem Orte ein Schützenfest in der Stadt und außerhalb derselben. Dazu hatten sie 300 Reiter aus dem Volke aufgestellt. Uns führten sie nun unter Musik von Hoboen und Streichinstrumenten nach einem ihrem Festplatz gegenüberliegenden Gasthaus.

Nachdem sie uns ihre Aufzüge hatten sehen lassen, veranstalteten sie — da der Ungar im Grunde genommen sehr auf Seite des osmanischen Staates neigt und ihm freundlich gesinnt ist — mit der Absicht, uns Ehre zu erweisen, ein großes Bankett. Wie sehr man sich nun auch auf ihre Einladung bemühte, dafür, dass man nicht kommen könnte, etliche Entschuldigungen vorzubringen, es half nichts; denn alle ihre Hauptleute und Anführer kamen in Kutschen nach unserem Gasthaus und sagten: „Wir sind von jeher aufrichtig treue Freunde des osmanischen Staates, und in dem jetzigen österreichischen Kriege ist unser Eintreten für die Hohe Pforte notwendig und unvermeidlich; denn niemals ist unsere Trennung von der Freundschaft zum ewig unvergänglichen osmanischen Staate denkbar." Da wir einsahen, dass sie sich nicht abbringen lassen würden, durch solche und ähnliche Worte ein ja zwei Stunden unausgesetzt um unsere Annahme ihrer Einladung zu bitten, so begaben wir uns, eingedenk der Regel: ,, Behandle sie diplomatisch, solange du in ihrem Bereich bist, indem wir uns einige verschiedene Speisen aus unserer Küche beschafft hatten, nach ihrem Festhaus. Nachdem wir uns dort einige Stunden belustigt hatten, kehrten wir nach unserem Hause zurück und machten uns am anderen Tage, früh morgens auf den Weg.

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