Zweiundzwanzigstes Capitel - Mohammeds Kriegszug wider die
Beni Mostalek – Er heirathet Barra, eine Gefangene –
Treulosigkeit des Abdallah Ibn Obba – Ayescha wird verleumdet
– Ihre Ehrenrettung – Ihre Unschuld wird durch eine
Offenbarung erwiesen
Unter den arabischen Stämmen, welche wider Mohammed nach
seiner Niederlage am Ohod die Waffen ergriffen, waren die Beni
Mostalek, ein mächtiges Geschlecht koreischitischer
Abstammung. Mohammed erhielt Nachricht, daß sie sich unter
ihrem Fürsten Al Hareth bei dem Brunnen Moraisi in dem Gebiete
Kedad fünf Meilen vom rothen Meere in kriegerischer Absicht
versammelt hatten. Er rückte sogleich an der Spitze eines
ausgewählten Heeres von Gläubigen ins Feld; viele Khazraditen,
von ihrem Häuptling Abdallah Ibn Obba geführt, hatten sich
angeschlossen. Durch eine schnelle Bewegung überraschte er den
Feind; Al Hareth wurde beim Angriffe durch einen Pfeilschuß
getödtet; seine Truppen flohen in Verwirrung nach kurzem
Widerstande, bei welchem Einige getödtet wurden. Zweihundert
Gefangene, fünftausend Schafe und eintausend Kameele waren die
Früchte dieses leichten Sieges. Unter den Gefangenen befand
sich Barra, Al Hareth's Tochter und Gattin eines jungen
Arabers von ihrem Geschlechte. Bei der Theilung fiel sie in
das Loos Thabet Ibn Reis', der ein hohes Lösegeld forderte.
Die Gefangene appellirte gegen diese Erpressung an Mohammed
und bat, daß das Lösegeld gemindert werden möchte. Der Prophet
betrachtete sie mit sehnsüchtigen Augen, denn sie war schön
anzuschauen. »Ich kann dir besser dienen«, sagte er, »als
durch Herabsetzung des Lösegeldes; sei mein Weib.« Die schöne
Barra gab bereitwillig ihre Zustimmung; das Lösegeld für sie
wurde vom Propheten an Thabet ausgezahlt; die Verwandten
derselben wurden von den Moslemen, in deren Loos sie gefallen
waren, in Freiheit gesetzt; die meisten von ihnen nahmen den
Glauben an, und Barra wurde nach der Rückkehr nach Medina
Mohammeds Weib.
Nach dem Gefechte drängten sich die Truppen um den Brunnen
Moraisi, um den Durst zu löschen. In dem Gedränge erhob sich
zwischen einigen Mohadscheren und Khazraditen ein Streit, bei
welchem einer der Letzteren einen Schlag erhielt. Seine
Kameraden stürzten herbei, um die Beleidigung zu rächen, und
ohne Mohammeds Einschreiten würde Blut geflossen sein. Die
Khazraditen blieben erbittert, und Andere von der medinäischen
Bevölkerung machten mit ihnen gemeinschaftliche Sache.
Abdallah Ibn Obba, der begierig war, aus jedem der steigenden
Macht Mohammeds widerwärtigen Umstande Vortheil zu ziehen,
nahm seine Verwandten und Mitbürger auf die Seite. »Sehet«,
sagte er, »die Beschimpfungen, welche ihr durch Beherbergung
dieser flüchtigen Koreischiten über euch gebracht habt. Ihr
habt sie in eure Häuser aufgenommen und ihnen eure Güter
gegeben, und jetzt wenden sie sich wider euch und mißhandeln
euch. Sie möchten sich sogar in euren eigenen Häusern zu euren
Herren machen; aber bei Allah, wenn wir nach Medina
zurückkommen, so werden wir sehen, wer von uns der Stärkste
ist.«
Ueber diese aufrührerische Sprache wurde Mohammed geheime
Botschaft gebracht. Omar rieth ihm zugleich, Abdallah aus dem
Wege zu räumen; aber der Prophet fürchtete, dadurch die Rache
der Verwandten und Anhänger des mächtigen Khazraditen zu
reizen. Um keine Zeit zu Meuterei zu lassen, trat er, obschon
es in der Hitze des Tages war, den Heimmarsch unverweilt an,
setzte ihn die Nacht hindurch fort und machte erst am
folgenden Mittage Halt, als die müden Krieger für Nichts als
für Ruhe Sinn hatten.
Nach der Ankunft in Medina zog er Abdallah zur Rechenschaft
wegen der aufrührerischen Ausdrücke. Dieser stellte sie völlig
in Abrede und erklärte denjenigen, welcher ihn angeklagt
hätte, für einen Lügner. Eine Offenbarung vom Himmel
bestätigte jedoch die Anklage wider ihn und seine Anhänger.
»Das sind die Leute«, sagt der Koran, »welche zu den Bewohnern
Medinas sprechen, gebet den Flüchtlingen Nichts, welche bei
dem Propheten Gottes sind, damit sie gezwungen werden, sich
von ihm zu trennen. Sie sagen, wahrlich, wenn wir nach Medina
zurückkehren, so wird der Würdigere den Geringeren von dort
vertreiben. Gott fluche ihnen! Wie sind sie von der Wahrheit
abgewendet!«
Einige Freunde Abdallahs, durch diese Offenbarung
überführt, riethen ihm, den Propheten um Verzeihung zu bitten;
aber er verachtete ihren Rath. »Ihr habt mich«, sagte er,
»bereits überredet, diesem Manne mein Ansehen und meine
Freundschaft zu widmen, und jetzt möchtet ihr haben, daß ich
mich sogar unter seine Füße stellte.«
Nichts konnte ihn zu der Ueberzeugung führen, daß Mohammed
nicht ein Götzendiener im Herzen und seine Offenbarungen nicht
eitel Betrug und Täuschung wären. Er betrachtete ihn auf alle
Fälle als einen furchtbaren Nebenbuhler, und suchte ihn auf
jegliche Art zu beeinträchtigen und niederzudrücken. Dieser
unversöhnlichen Feindseligkeit wird eine scandalöse Geschichte
zugeschrieben, welche er über Ayescha, die Lieblingsfrau des
Propheten, verbreitete.
Es war Mohammeds Gewohnheit, auf seinen Kriegszügen stets
eine seiner Frauen zur Gesellschaft und Aufheiterung bei sich
zu haben; sie wurde durchs Loos gewählt, und bei der letzten
Veranlassung war das Loos auf Ayescha gefallen. Sie reiste in
einer mit Gardinen verschlossenen Sänfte auf einem Kameele,
welches von einem Diener geführt wurde. Als die Armee auf dem
Rückmarsche aus Notwendigkeit Halt machte, so waren Ayeschas
Diener erstaunt, die Sänfte leer zu finden. Bevor sie sich von
ihrer Ueberraschung erholten, kam sie auf einem Kameele an,
welches der junge Araber Safwan Ibn al Moattel führte. Da
dieser Vorfall zu Abdallahs Kenntniß gelangt war, so posaunte
er ihn nach seiner Rückkehr in Medina in alle Welt aus, indem
er zugleich behauptete, daß Ayescha sich der Unkeuschheit mit
dem jugendlichen Safwan schuldig gemacht hätte.
Diese Geschichte wurde von Hamma, der Schwester der schönen
Zeinab, welche Mohammed neulich geehelicht hatte, begierig
aufgegriffen und in Umlauf gesetzt, weil sie hoffte, ihrer
Schwester durch den Fehltritt ihrer ärgsten Nebenbuhlerin
Ayescha Nutzen zu schaffen; sie wurde auch von Mistah, einem
Verwandten Abu Bekers, nacherzählt und von dem Dichter Hasan
in satyrischen Versen besungen.
Es dauerte einige Zeit, bevor Ayescha von dem Scandal, der
auf ihre Unkosten in Umlauf war, Kenntniß erhielt. Krankheit
hatte sie nach der Rückkehr nach Medina an das Haus gefesselt,
und Niemand wagte es, ihr zu erzählen, wessen sie beschuldigt
wurde. Sie merkte indessen, daß der Prophet ernst und
schweigsam war und sie nicht mehr mit der gewöhnlichen
Zärtlichkeit behandelte. Nach ihrer Genesung erfuhr sie das
ihr beigemessene Vergehen und betheuerte ihre Unschuld. Ihre
Erzählung des Vorfalles ist folgende:
Die Armee hatte sich auf dem Heimzuge nicht weit von Medina
gelagert, als in der Nacht Befehl zum Aufbruche gegeben wurde.
Die Diener brachten wie gewöhnlich ein Kameel vor Ayeschas
Zelt und zogen sich, nachdem sie die Sänfte auf den Boden
gesetzt hatten, zurück, bis sie ihren Sitz dann eingenommen
haben konnte. Als sie im Begriffe war einzusteigen, vermißte
sie ihr Halsband und kehrte in das Zelt zurück, um es zu
suchen. In derselben Zeit hoben die Diener die Sänfte auf das
Kameel und schnallten sie fest, ohne zu bemerken, daß sie
Nichts enthielt, weil Ayescha schlank und von geringer Schwere
war. Als sie von dem Suchen des Halsbandes zurückkehrte, war
das Kameel abgegangen und die Armee auf dem Marsche; hierauf
wickelte sie sich in ihren Mantel und setzte sich nieder,
indem sie hoffte, daß man, wenn ihre Abwesenheit entdeckt
werden sollte, einige Personen zurücksenden würde, um sie
aufzusuchen.
Während sie so dort saß, kam der junge Araber Safwan Ibn al
Moattel, der zur Nachhut gehörte, herbei und redete sie, als
er sie erkannte, mit dem gewöhnlichen Moslemengruße an: »Gotte
gehören wir und zu Gotte müssen wir zurückkehren! Gattin des
Propheten, warum bleibst du zurück?«
Ayescha entgegnete Nichts, sondern zog den Schleier
straffer über das Gesicht. Safwan stieg hierauf ab, half ihr
das Kameel besteigen und den Zaum ergreifend eilte er, um die
Armee zu erreichen. Die Sonne war indessen aufgegangen, bevor
er sie gerade vor den Mauern Medinas einholte.
Diese Erzählung, welche von Ayescha mitgetheilt und von
Safwan Ibn al Moattel bestätigt wurde, genügte ihren Aeltern
und den näheren Freunden; aber von Abdallah und dessen
Anhängern, »den Heuchlern«, wurde über dieselbe gespottet.
Zwei Parteien entstanden wegen dieser Sache und großer Zank
folgte. Was Ayescha betrifft, so schloß sie sich in ihre
Wohnung ein, wies alle Nahrung zurück und weinte Tag und Nacht
in ihrem Herzeleid.
Mohammed war höchlich beunruhigt und fragte Ali in seiner
Verlegenheit um Rath. Dieser nahm die Sache auf die leichte
Achsel, indem er bemerkte, daß sein Unglück häufig das Loos
des Mannes wäre. Durch diesen Ausspruch wurde der Prophet nur
wenig getröstet. Einen Monat lang blieb er von Ayescha
getrennt; aber sein Herz sehnte sich nach ihr, nicht blos
wegen ihrer Schönheit, sondern weil er ihre Gesellschaft
liebte. In einem Kummeranfall gerieth er in eine jener
Verzückungen, welche die Ungläubigen der Epilepsie
zuschreiben. Während derselben empfing er eine passende
Offenbarung, die in einer Sure (XXIV) des Korans gefunden
wird. Das Hauptsächlichste ist Folgendes:
Diejenigen, welche eine ehrbare Frau des Ehebruchs
beschuldigen und nicht vier Zeugen der That beibringen, sollen
mit achtzig Peitschenhieben bestraft und ihr Zeugniß verworfen
werden. Was die betrifft, welche die Anklage gegen Ayescha
erhoben haben, haben sie vier Zeugen dafür beigebracht? Wenn
sie es nicht können, so sind sie Lügner vor Gottes Angesicht.
Laßt sie also die Strafe für ihr Vergehen erleiden!
Nachdem die Unschuld der schönen Ayescha so wunderbar kund
gemacht worden war, so drückte sie der Prophet mit vermehrter
Liebe an sein Herz. Auch zögerte er nicht mit Ertheilung der
vorgeschriebenen Züchtigung. Abdallah Ibn Obba war zwar eine
zu mächtige Persönlichkeit, um der Geißel preis gegeben zu
werden, aber desto schwerer fiel sie auf die Schultern seiner
Mitschuldigen. Der Dichter Hasan wurde von der Neigung,
satyrische Verse zu machen, für einige Zeit geheilt; auch
Hamna, obgleich ein Weib und mit großen persönlichen Reizen
begabt, konnte der Erduldung der Geißelhiebe nicht entgehen;
denn Mohammed bemerkte, daß solche Schönheit mit einem
freundlicheren Charakter hätte verbunden sein sollen.
Die Offenbarung hatte auch den ergebenen Ali von Ayescha's
Reinheit überzeugt; aber niemals vergaß und vergab sie es, daß
er daran gezweifelt hatte, und der auf diese Weise ihrem
Herzen eingepflanzte Groll zeigte sich zu seinem großen
Nachtheile in vielen der wichtigsten Angelegenheiten seines
späteren Lebens.