Zweiunddreißigstes Capitel - Zeinabs, der Tochter des
Propheten, Tod – Geburt seines Sohnes Ibrahim - Deputationen
von entfernten Stämmen – Poetischer Wettstreit in Gegenwart
des Propheten – Seine Empfänglichkeit für die Reize der
Dichtkunst – Die Unterwerfung der Stadt Tayef; Zerstörung
ihrer Götzenbilder – Unterhandlung mit Amir Ibn Tafiel, einem
stolzen Beduinenhäuptling; unabhängiger Geist des Letzteren –
Adi's, eines andern Häuptlings, Zusammenkunft mit Mohammed
Kurz nach der Ankunft in Medina wurde Mohammed durch den
Tod seiner Tochter Zeinab in Trauer versetzt, derselben
Tochter, welche ihm für ihren ungläubigen, in der Schlacht von
Beder gefangenen Gatten Abul Aaß zurückgegeben worden war.
Groß war der häusliche Kummer des Propheten, und tief fühlte
er diesen Verlust; durch die Geburt eines Sohnes von der
Lieblingsbeischläferin Mariyah wurde er jedoch getröstet. Er
nannte das Kind Ibrahim und ergötzte sich an der Hoffnung, daß
dieser Sohn seines hohen Alters, sein einziger lebender
Sprößling männlichen Geschlechts, seinen Namen auf die
späteren Geschlechter fortpflanzen würde.
Der Ruf von ihm, entweder als von einem Propheten oder als
von einem Eroberer, drang in die entlegensten Theile Arabiens,
und beständig trafen Deputationen von entfernten Stämmen in
Medina ein, einige, um ihn als Propheten anzuerkennen und den
Islam anzunehmen, andere, um sich ihm als weltlichem Oberherrn
zu unterwerfen und Tributzahlung zu bewilligen. Mohammeds
Talente wuchsen mit der Forderung des Augenblicks; seine
Ansichten erweiterten sich mit seinem Glücke, und jetzt begann
er die Geldverhältnisse seines schnell wachsenden Reiches mit
staatsmännischer Geschicklichkeit zu regeln. Unter dem schönen
Namen »Almosen« wurde von wahren Gläubigen eine Steuer
erhoben, welche ein Zehntel der Erzeugnisse des Landes betrug,
wo es durch Bäche und Regen fruchtbar gemacht wurde, und ein
Zwanzigstel, wo die Fruchtbarkeit das Ergebniß von Bewässerung
war. Von je zehn Kameelen wurden zwei Schafe, von vierzig
Stück Rindvieh Eine Kuh, von dreißig Stück Eine zweijährige
Kalbe, von je vierzig Schafen Eins gefordert. Wer mehr als
diesen Betrag steuerte, wurde in gleichem Maße für frömmer
erachtet und sollte in den Augen Gottes angemessene Gnade
erlangen. – Der Tribut, welcher von denen, die sich dem
weltlichen Scepter unterwarfen, aber im Unglauben verharrten,
eingefordert wurde, belief sich für jede erwachsene leibeigene
oder freie Person auf Einen Denar (4½ Ngr.) in Geld oder
Gütern.
Einige Schwierigkeit zeigte sich bei der Einsammlung der
milden Beiträge; der stolze Stamm Tamim leistete offenen
Widerstand und verjagte den Einsammler. Eine Schaar arabischer
Reiter wurde wider ihn abgeschickt und eine Zahl Männer,
Frauen und Kinder gefangen fortgeführt. Eine Deputation der
Tamimiten kam an, um die Gefangenen zurückzufordern. Vier der
Abgeordneten waren als Redner und Dichter berühmt, und anstatt
sich vor Mohammed zu demüthigen, hielten sie Vorträge in Prosa
und Versen, die Moslemen zu einem poetischen Wettstreite
herausfordernd. »Ich bin von Gott nicht als Dichter gesandt«,
entgegnete Mohammed; »auch suche ich keinen Ruhm als Redner.«
Einige seiner Anhänger nahmen jedoch die Herausforderung an,
und ein Tintenkrieg folgte, in welchem sich die Tamimiten für
überwunden erklärten. Ueber den Geist ihrer Ausforderung, über
ihre Dichtkunst und über die freimüthige Anerkennung ihrer
Niederlage war Mohammed so sehr erfreut, daß er ihnen nicht
allein die Gefangenen auslieferte, sondern sie auch mit
Geschenken entließ. Ein anderes Beispiel seiner
Empfänglichkeit für die Reize der Dichtkunst wird in der
Angelegenheit Caab Ibn Zohair's, eines gefeierten mekkanischen
Dichters, mitgetheilt. Dieser hatte ihn zum Gegenstand
satyrischer Verse gemacht und war demzufolge unter den
Geächteten gewesen; aber er war nach der Einnahme der heiligen
Stadt geflohen. Caab kam jetzt nach Medina, um sich zu
versöhnen; und als er sich Mohammed näherte, während er in der
Moschee war: so begann er in einem Gedichte, welches unter den
Arabern nachmals als ein Meisterstück berühmt wurde, den Ruhm
desselben zu besingen. Mit besonderer Lobpreisung seiner Milde
schloß er also: »Denn an dem Propheten Gottes ist unter allen
Tugenden die Verzeihung von Beleidigungen diejenige, auf
welche man sich mit der größten Gewißheit verlassen kann.« Von
dem Verse gefesselt und von der Schmeichelei besänftigt,
machte Mohammed des Dichters Wort zur Wahrheit, da er ihm
nicht allein vergab, sondern auch den eigenen Mantel abnahm
und ihn auf die Schultern desselben warf. Der Dichter bewahrte
das heilige Gewand bis an seinen Todestag, und wies goldene
Anerbietungen für dasselbe zurück. Der Kalif Moawyah kaufte es
von den Erben desselben für zehn tausend Drachmen (gegen 1400
Thlr.) und fortan wurde es von den Kalifen bei Aufzügen und an
feierlichen Tagen bis zum sechsunddreißigsten Kalifat
getragen, wo es von Holâgu, dem tartarischen Eroberer, dem
Kalifen Al Most'asem von dem Rücken gerissen und zu Asche
verbrannt wurde.
Während bei den arabischen Stämmen Stadt auf Stadt, Schloß
auf Schloß den Glauben annahm und gegen Mohammed die
Unterthanenpflicht erfüllte: so verharrte Tayef, die Burg der
Thakefiten, halsstarrig in der Anbetung der berühmten Göttin
Al Lat. Die Bewohner verließen sich auf ihre gebirgige Lage
und auf die Festigkeit ihrer Mauern und ihres Castells. Aber
obschon gegen eine Bestürmung gesichert, sahen sie sich von
den Moslemen allmälig eingeschlossen und vom Verkehre
abgeschnitten, so daß sie zuletzt über die Wälle nicht
hinausgehen konnten, ohne angegriffen zu werden. Auf diese
Weise bedroht und ermüdet, schickten sie Gesandte an Mohammed,
um wegen des Friedens zu unterhandeln.
Der Prophet nährte einen tiefen Groll wider diese
hartnäckige und höchst abgöttische Stadt, welche ihn zu einer
Zeit aus ihren Thoren getrieben, zu einer andern von ihren
Mauern zurückgeschlagen hatte. Bekehrung und unbeschränkte
Unterwerfung waren seine Bedingungen. Die Abgesandten
versprachen, daß sie selbst den Islam annehmen wollten; aber
sie erörterten die Gefahr, die Bevölkerung Tayefs durch die
Forderung, dem alten Glauben zu entsagen, plötzlich
aufzuregen. Für diese baten sie daher um die Erlaubniß, noch
weitere drei Jahre ihre alte Göttin Al Lat verehren zu dürfen.
Diese Forderung wurde entschieden zurückgewiesen. Nun baten
sie zum wenigsten um einen Monat Aufschub, um die öffentliche
Stimmung vorzubereiten. Dies wurde ebenfalls verweigert, weil
jeglicher Götzendienst mit der Anbetung Gottes unverträglich
wäre. Hierauf stellten sie das dringende Gesuch, von der
Beobachtung der täglichen Gebete entbunden zu werden. »Ohne
Gebet kann es keine wahre Religion geben,« erwiderte Mohammed.
Kurz sie waren zur unbedingten Unterwerfung gezwungen.
Abu Sofian Ibn Harb und Al Mogheira wurden nach Tayef
abgeordnet, um Al Lat's Bildsäule, welche aus Stein war, zu
zerstören. Abu Sofian schlug an dieselbe mit einer Spitzaxt,
aber indem er den Streich führte, fiel er auf das Gesicht
nieder. Die Bevölkerung brach in ein Freudengeschrei aus, da
sie dies für ein gutes Vorzeichen hielt; doch Al Mogheira
zertrümmerte durch einen einzigen Schlag mit einem
Schmiedehammer ihre Hoffnungen und das Standbild. Alsdann
beraubte er sie der köstlichen Kleider, der Armspangen, des
Halsbandes, der Ohrringe und andern Schmuckes von Gold und
Edelsteinen, womit sie von ihren Verehrern bedeckt worden war,
und ließ sie bei den Frauen von Tayef, welche weinten und
klagten, in Stücken auf dem Boden liegen.Die Thakefiten sind
bis auf den heutigen Tag ein mächtiger Stamm, welcher die
fruchtbare Gegend am östlichen Abhange der Gebirgskette von
Hedjas (Heddschas) besitzt. Einige bewohnen die alte Stadt
Tayef, andere hausen in Zelten und haben Heerden von Ziegen
und Schafen. Sie können zweitausend Luntenschlösser aufstellen
und vertheidigten ihre Festung Tayef in den Kriegen mit den
Wechabiten.
Unter denen, welche der Macht Mohammeds noch trotzten,
befand sich der Beduinenhäuptling Amir Ibn Tufiel, der Führer
des mächtigen Stammes Amir. Er war berühmt wegen persönlicher
Schönheit und fürstlicher Pracht; aber er hatte einen
hochmüthigen Geist und seine Herrlichkeit trug das Gepräge der
Prahlerei. Auf dem großen Markte von Okaz, zwischen Tayef und
Naklah, wo sich Kaufleute, Pilger und Dichter aus allen
Theilen Arabiens gewöhnlich versammeln, pflegte ein Herold
auszurufen: »Wer ein Lastthier bedarf, der mag zu Amir kommen;
ist Jemand hungrig, der mag zu Amir kommen und er wird
gesättigt werden; ist er ein Verfolgter, so mag er zu Amir
fliehen und er wird beschützt werden.« – Amir hatte Jedermann
durch Freigebigkeit geblendet, und sein Ehrgeiz hatte mit
seiner Volksthümlichkeit Schritt gehalten. Die steigende Macht
Mohammeds flößte ihm Eifersucht ein. Als ihm gerathen wurde,
mit demselben sich zu vereinigen, so erwiderte er hochmüthig:
»Ich habe geschworen, niemals zu ruhen, bis ich ganz Arabien
gewonnen habe, und diesem Koreischiten soll ich huldigen?« Die
neulichen Eroberungen der Moslemen bewogen ihn jedoch, den
Rathschlägen seiner Freunde Gehör zu geben. Er reiste nach
Medina, und da er vor Mohammed kam, fragte er ihn freimüthig:
»Willst du mein Freund sein?« »Niemals, bei Allah!« war die
Antwort, »wofern du nicht den Islam annimmst.« »Und wenn ich
es thue, willst du dich dann mit der Herrschaft über die
Araber in den Städten begnügen und mir die Beduinen der Wüste
lassen?« Mohammed antwortete verneinend. »Was werde ich denn
durch die Annahme deines Glaubens gewinnen?« Die Gemeinschaft
aller wahren Gläubigen.« »Mich gelüstet nicht nach solcher
Gemeinschaft!« entgegnete der stolze Amir, und mit einer
kriegerischen Drohung kehrte er zu seinem Stamme zurück.
Ein Beduinenhäuptling anderen Charakters war Adi, ein Fürst
des Stammes Tai. Sein Vater Hatim war nicht allein wegen
kriegerischer Thaten, sondern auch wegen seiner gränzenlosen
Großmuth berühmt gewesen, so daß die Araber zu sagen gewohnt
waren, »so edelmüthig wie Hatim.« Adi der Sohn war Christ, und
wenn er auch die Großmuth des Vaters geerbt haben mochte, so
fehlte ihm doch dessen Tapferkeit. Beunruhigt über die
verheerenden Kriegszüge der Moslemen, befahl er einem jungen
Araber, welcher die Kameele desselben in der Wüste hütete,
einige der kräftigsten und schnellsten bereit zu halten und
von der Annäherung eines Feindes augenblickliche Nachricht zu
geben. Es traf sich nun zufällig, daß Ali, welcher diesen
Theil des Landes mit einer Reiterschaar durchstreifte, mit
zwei Bannern, einem weißen und einem schwarzen in Sicht kam.
Der junge Beduine sah sie von fern und eilte zu Adi mit dem
Rufe: »Die Moslemen sind in der Nähe; ich sehe ihre Banner in
einiger Entfernung!« Augenblicklich setzte Adi seine Frau und
seine Kinder auf die Kameele und floh nach Syrien. Seine
Schwester, Saffana d. i. die Perle, zubenannt, fiel in die
Hände der Moslemen und wurde mit andern Gefangenen nach Medina
gebracht.
Als dieselbe Mohammed nahe beim Orte ihrer Haft
vorübergehen sah, so rief sie ihm zu: »Habe Mitleid mit mir, o
Gesandter Gottes! Mein Vater ist todt, und derjenige, welcher
mich hätte beschützen sollen, hat mich verlassen. Habe Mitleid
mit mir, o Gesandter Gottes, wie Gott mit dir Mitleid haben
mag!« »Wer ist dein Beschützer?« fragte Mohammed. »Adi, der
Sohn Hatims.« »Er ist ein Flüchtling vor Gott und seinem
Propheten,« entgegnete Mohammed und ging vorüber. Als Mohammed
am folgenden Tage im Begriffe stand vorüberzugehen, so
flüsterte Ali, welchen die Schönheit und der Kummer des Weibes
gerührt hatte, derselben zu, aufzustehen und den Propheten
noch einmal inbrünstig anzuflehen. Demgemäß wiederholte sie
ihre Bitte. »O Prophet Gottes! mein Vater ist todt; mein
Bruder, welcher mein Beschützer hätte sein sollen, hat mich
verlassen. Habe Barmherzigkeit mit mir, wie Gott mit dir
Barmherzigkeit haben wird.« Mohammed wendete sich wohlwollend
zu ihr. »Es sei also,« sagte er, und setzte sie nicht nur in
Freiheit, sondern gab ihr auch Kleidung und ein Kameel und
schickte sie mit der ersten nach Syrien bestimmten Karavane
ab. Als sie bei dem Bruder ankam, so machte sie ihm Vorwürfe,
daß er sie verlassen hatte. Er erkannte seinen Fehler und
erhielt Vergebung. Nun drang sie in ihn, sich mit Mohammed
auszusöhnen; »er ist wahrlich ein Prophet«, sagte sie, »und
wird bald die Weltherrschaft haben; daher eile, um bei Zeiten
seine Gunst zu gewinnen.«
Der staatskluge Adi hörte auf den Rath der Schwester, eilte
nach Medina und begrüßte den Propheten, welcher in der Moschee
war. Die eigene Erzählung desselben von der Zusammenkunft
zeigt uns ein treffendes Gemälde von der einfachen Haltung und
Lebensweise Mohammeds, jetzt, wo er sich in der vollständigen
Ausübung unbeschränkter Macht und auf der Bahn zu schnellen
Eroberungen befand. »Er fragte mich«, sagt Adi, »nach meinem
Namen, und als ich ihn angab, lud er mich ein, ihn in seine
Wohnung zu begleiten. Unterwegs redete ihn ein schwächliches,
abgemagertes Weib an. Er blieb stehen und sprach mit ihr von
ihren Angelegenheiten. Dies, dachte ich bei mir, ist nicht
sehr königlich. Als wir in seiner Behausung ankamen, gab er
mir ein ledernes, mit Palmblättern ausgestopftes Kissen, um
mich darauf zu setzen, während er auf dem bloßen Boden saß.
Dies, dachte ich, ist nicht sehr fürstlich! Hierauf bat er
mich drei Mal, den Islam anzunehmen. Ich erwiderte, ich habe
meinen eigenen Glauben. »Ich kenne deinen Glauben besser als
du selbst«, sagte er. »Als Fürst nimmst du ein Viertel der
Beute von deinen Leuten. Ist das christliche Lehre?« An diesen
Worten merkte ich, daß er ein Prophet wäre, der mehr als
andere Menschen wüßte. »Du hast keine Neigung zum Islam«, fuhr
er fort, »weil du siehst, daß wir arm sind. Die Zeit ist nahe,
wo wahre Gläubige ein größeres Vermögen haben werden, als sie
zu verwalten verstehen. Vielleicht wirst du zurückgeschreckt,
weil du siehst, daß die Zahl der Moslemen im Vergleich mit den
Heeren ihrer Feinde geringfügig ist. Bei Allah! in kurzer
Frist wird ein moslemisches Weib im Stande sein, von Kadesia
bis in den Tempel Gottes in Mekka auf ihrem Kameel allein und
furchtlos eine Wallfahrt zu machen. Du glaubst wahrscheinlich,
daß die Macht in den Händen der Ungläubigen ist; wisse, daß
die Zeit nicht fern ist, wo wir unsere Standarten auf den
weißen Schlössern von Babylon aufpflanzen werden.«
Der kluge Adi glaubte an die Prophezeihung und nahm sofort
den Glauben an.