Dreiunddreißigstes Capitel - Rüstungen zu einem Feldzuge
gegen Syrien – Ränke Abdallah Ibn Obba's – Beiträge der Treuen
– Ausmarsch der Armee – Die verfluchte Gegend Hajar (Hadschar)
– Lager bei Tabuc – Unterjochung der benachbarten Provinzen –
Khaled überfällt Olaider und dessen Castell – Rückkehr der
Armee nach Medina
Mohammed hatte sich jetzt entweder durch Bekehrung oder
durch Eroberung zum Oberherrn von fast ganz Arabien gemacht.
Die zerstreuten Stämme, vormals einander gefährlich, aber
infolge ihrer Entzweiung machtlos gegen die übrige Welt, hatte
er zu einer Nation vereinigt und dadurch zu auswärtigen
Eroberungen befähigt. Sein prophetischer Charakter gab ihm
über die furchtbare, in der Wüste also heraufbeschworne Macht
unumschränkte Gewalt, und jetzt war er gerüstet, sie zur
Verbreitung des Glaubens und zur Ausdehnung der moslemischen
Herrschaft in fremde Länder hinauszuführen.
Die zahlreichen Siege und das neuliche Gefecht bei Muta
hatten endlich, wie erzählt wird, die Aufmerksamkeit des
Kaisers Heraklius erregt, welcher im Begriffe stand, auf
Syriens Gränzen ein Heer zusammenzuziehen, um den neuen Feind
zu zermalmen. Mohammed entschloß sich, den Feindseligkeiten
desselben zuvorzukommen und die Fahne des Glaubens sogar in
das Herz Syriens zu tragen.
Bisher hatte er die Kriegszüge im Geheimen unternommen,
indem er Niemandem als den vertrautesten Officieren seine
Pläne und Absichten mittheilte und seine Getreuen unvermerkt
in gefährliche Unternehmungen führte. Der gegenwärtige
Feldzug, so verschieden von den kurzen, räuberischen
Streifereien der Araber, erforderte große Vorbereitungen; eine
ungewöhnliche Streitkraft mußte zusammengebracht und alle
Arten von Proviant mußten für weite Märsche und eine lange
Abwesenheit beschafft werden. Daher verkündigte er öffentlich
den Gegenstand und die Beschaffenheit des Unternehmens. Die
gewöhnliche Bereitwilligkeit, sich um seine Fahne zu schaaren,
war nicht vorhanden. Viele gedachten des verhängnißvollen
Kampfes von Muta und fürchteten, mit den geschulten römischen
Truppen abermals ins Gefecht zu kommen. Auch die Jahreszeit
war solch einem weiten und langwierigen Zuge ungünstig. Es war
die Zeit der Sommerhitze; das Land war versengt und die
Brunnen und Bäche waren ausgetrocknet. Dazu stand die
Dattelernte bevor, wo die Männer zur Einsammlung der Frucht
vielmehr daheim als draußen auf Raubzügen sein sollten.
Alle diese Umstände brachte der Khazradite Abdallah Ibn
Obba schlauerweise unter das Volk; er blieb Mohammeds
verdeckter Feind und ergriff jede Gelegenheit, die Pläne
desselben zu durchkreuzen. »Eine schöne Jahreszeit das«,
pflegte er zu schreien, »um trotz des Mangels und der Dürre
und der glühenden Hitze der Wüste solch einen weiten Marsch zu
unternehmen! Mohammed scheint einen Krieg mit Griechen blos
für eine Vergnügungspartie zu halten; verlaßt euch auf mich,
ihr werdet ihn von einem Kriege der Araber unter einander ganz
verschieden finden. Bei Allah! mich dünkt, ich sehe euch Alle
schon in Ketten.« Durch diese und ähnliche Spöttereien und
Einflüsterungen wirkte er auf die Befürchtungen und
Gesinnungen der Khazraditen, seiner Parteigänger, ein und
machte das Unternehmen im Allgemeinen unpopulär. Mohammed
nahm, wie gewöhnlich, seine Zuflucht zur Offenbarung.
»Diejenigen, welche zurückbleiben wollen«, sagte ein
zeitgemäßes Capitel des Korans, »führen die Sommerhitze als
Entschuldigungsgrund an. Saget ihnen, das Feuer der Hölle ist
heißer! Sie mögen sich in dem Genusse gegenwärtiger Sicherheit
gütlich thun, aber unaufhörliche Thränen werden ihre Strafe
nachher sein.«
Einige von seinen ergebenen Anhängern offenbarten in dieser
lauen Zeit ihren Eifer. Omar, Al Abbas und Abda'lrahman gaben
große Summen Geldes; einige fromme Frauen brachten ihre
Schmucksachen und Juwelen; Othman überlieferte Mohammed ein
tausend, Manche sagen zehn tausend Denare und wurde von seinen
vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Sünden losgesprochen;
Abu Beker gab vier tausend Denare. Mohammed zögerte das
Anerbieten anzunehmen, da er wußte, daß es Alles war, was er
besaß. »Was wird für dich und deine Familie bleiben?« fragte
er. »Gott und sein Prophet«, war die Antwort.
Diese Beispiele von Ergebenheit hatten eine mächtige
Wirkung; dennoch war es mit viel Schwierigkeit verbunden, eine
Armee von zehn tausend Reitern und zwanzig tausend Fußgängern
aufzustellen. Jetzt ernannte Mohammed Ali zum Statthalter in
Medina während seiner Abwesenheit und zum Hüter ihrer beiden
Familien. Mit großem Widerstreben nahm er dieses Amt an, da er
gewohnt gewesen war, den Propheten stets zu begleiten und alle
seine Gefahren zu theilen. Als alle Anordnungen getroffen
waren, brach Mohammed zu dieser wichtigen Unternehmung von
Medina auf. Ein Theil des Heeres bestand aus Khazraditen und
deren Verbündeten; sie wurden von Abdallah Ibn Obba geführt.
Dieser Mann, welchen Mohammed zum Befehlshaber »der Heuchler«
ernannt hatte, lagerte sich Nachts mit seinen Anhängern
abgesondert, in einiger Entfernung hinter der Hauptarmee, und
als die letztere früh weiter marschirte, so blieb er zurück
und führte seine Truppen wieder nach Medina. Er begab sich zu
Ali, dessen Oberbefehl in der Stadt ihm und seinen Anhängern
zuwider war, und suchte ihn zur Unzufriedenheit mit seiner
Stellung zu reizen, indem er anführte, daß ihn Mohammed zur
Bewachung Medinas lediglich deshalb zurückgelassen hätte, um
sich selbst von einer Last zu befreien. Durch diese
Einflüsterung aufgestachelt, eilte Ali Mohammed nach und
fragte ihn, ob das, was Abdallah und dessen Leute sagten, wahr
wäre?
»Diese Menschen«, entgegnete Mohammed, »sind Lügner. Sie
sind die Partei der Heuchler und Zweifler, welche einen
Aufstand in Medina hervorrufen möchten. Ich ließ dich zurück,
um über sie zu wachen und der Hüter unserer beiden Familien zu
sein. Ich wollte haben, daß du mir das wärest, was Aaron dem
Moses war, ausgenommen, daß du nicht gleich ihm ein Prophet
sein kannst, da ich der letzte der Propheten bin.« Durch diese
Erklärung befriedigt, kehrte Ali nach Medina zurück. Viele
haben aus dem Vorhergehenden gefolgert, daß Mohammed Ali zu
seinem Kalifen oder Nachfolger haben wollte, weil dies die
Bedeutung des arabischen Wortes wäre, welches gebraucht wurde,
um Aarons Beziehung zu Moses zu bezeichnen.
Die Truppen, welche bei Mohammed geblieben waren, begannen
bald die Schwierigkeit zu fühlen, in dieser heißen Jahreszeit
der Wüste Trotz zu bieten. Viele kehrten am zweiten, und
Andere am dritten und vierten Tage um. Wenn nun dem Propheten
von ihrer Entweichung Nachricht gebracht wurde, so pflegte er
zu erwidern: »Wenn sie zu Etwas gut sind, so wird sie Gott zu
uns zurückbringen; wenn sie es nicht sind, so sind wir von so
vielen Lasten befreit.«
Während auf diese Art Manche den Muth auf dem Marsche
verloren: so bereuten Andere, welche in Medina zurückgeblieben
waren, ihre Feigherzigkeit. Als Einer, Namens Abu Khaithama,
während der brennenden Tageshitze seinen Garten betrat: so
sahe er eine Mahlzeit Fleisch und frisches Wasser, welches von
seinen beiden Frauen in dem kühlen Schatten eines Zeltes für
ihn hingestellt worden war. An der Schwelle stehen bleibend
rief er aus: »In diesem Augenblicke ist der Prophet Gottes dem
Winde und der Hitze der Wüste ausgesetzt, und Khaithama soll
hier im Schatten neben seinen schönen Frauen sitzen? Bei
Allah! ich will das Zelt nicht betreten!« Unverzüglich
bewaffnete er sich mit Schwert und Lanze, bestieg sein Kameel
und eilte hinweg, um sich zur Fahne des Glaubens zu gesellen.
Mittlerweile betrat die Armee nach einem mühevollen Marsche
von sieben Tagen den gebirgigen Distrikt Hajar (Hadschar),
welcher in unvordenklichen Zeiten von den Thamuditen, einem
der verlornen Stämme Arabiens, bewohnt wurde. Es war die
verwünschte Gegend nach der Sage, was bereits erzählt worden
ist. Der Vortrab der Armee, welcher von dieser Sage Nichts
wußte und erhitzt und ermattet war, sahe mit Entzücken einen
Bach, welcher durch ein grünendes Thal floß, und Höhlen,
welche in die Seiten der benachbarten Höhen gehauen und einmal
die Wohnungen der vom Himmel geschlagenen Thamuditen gewesen
waren. Sie hielten links des Baches. Einige schickten sich an,
ein Bad zu nehmen. Andere begannen zu kochen und Brod zu
backen, während Alle sich kühle Nachtquartiere in den Höhlen
versprachen. Mohammed hatte, wie es seine Gewohnheit war auf
dem Marsche, in der Nachhut Platz genommen, um die Schwachen
zu unterstützen, indem er gelegentlich einen vom Wege
ermüdeten Nachzügler hinter sich aufsetzen ließ. Als er an dem
Orte ankam, wo die Truppen Halt gemacht hatten, erinnerte er
sich an die alte Zeit und an die sie betreffenden Sagen,
welche ihm erzählt worden waren, als er in der Kindheit hier
durchreiste. Aus Furcht, in den über die Umgegend verhängten
Bann zu gerathen, befahl er, daß die Truppen die mit dem
Bachwasser gekochte Speise wegwerfen, das mit demselben
geknetete Brod den Kameelen geben und aus dem vom Himmel
verfluchten Orte forteilen sollten. Das Gesicht in die Falten
des Mantels hüllend und dem Maulthiere die Sporen gebend,
jagte er durch die sündige Gegend; die Armee folgte ihm, als
wenn sie vor dem Feinde flöhe.
Die folgende Nacht war eine der leidensvollsten; die Armee
mußte ohne Wasser lagern; das Wetter war ungeheuer heiß und
ein sengender Wind wehte aus der Wüste; ein unerträglicher
Durst herrschte durch das Lager, gleich als wenn der
thamuditische Bannfluch noch über ihm hinge. Am nächsten Tage
jedoch erfrischte und stärkte ein reichlicher Regen Beide,
Mann und Vieh. Der Marsch wurde mit neuem Eifer wieder
angetreten, und die Armee kam ohne weiteres Ungemach bei Tabuc
an, einer kleinen Stadt auf der Gränze des römischen Reiches,
ungefähr halben Weges zwischen Medina und Damaskus und etwa
zehn Tagereisen von jeder Stadt gelegen.
Hier schlug Mohammed in der Nähe einer Quelle und in der
Mitte von Hainen und Weideland das Lager auf. Arabische Sagen
versichern, daß die Quelle beinahe trocken war, so daß nicht
ein Tropfen übrig blieb, als für den Propheten eine Vase
gefüllt war; nachdem jedoch Mohammed den Durst gelöscht und
die Waschungen vollzogen hatte: so goß er das, was in der Vase
übrig blieb, in die Quelle, worauf ein für die Truppen und das
Vieh hinreichender Strom hervorbrach.
Aus diesem Lager schicke Mohammed seine Feldherrn ab, um
den Glauben zu verkündigen und zu stärken oder Tribut zu
fordern. Einige von den Nachbarfürsten schickten
Gesandtschaften, entweder um die Göttlichkeit seiner Sendung
anzuerkennen, oder um sich seiner zeitlichen Herrschaft zu
unterwerfen. Einer derselben war Johannes Ibn Ruba, Fürst von
Eyla, einer christlichen Stadt am rothen Meere. Das ist
dieselbe Stadt, von welcher die Sage berichtet, daß daselbst
in den Tagen der Vorzeit, als ihre Bewohner Juden waren, die
alten Männer in Schweine und die jungen in Affen verwandelt
wurden, weil sie am Sabbath gefischt hatten, ein Gericht,
welches im Koran feierlich erzählt wird. Der Fürst von Eyla
schloß mit Mohammed einen Friedensvertrag, in welchem er
bewilligte, einen jährlichen Tribut von drei tausend Denaren
in Gold (6000 Thlr.) zu zahlen. Die Form dieses Vertrags wurde
das Muster für die Unterhandlung mit andern Mächten.
Unter den arabischen Fürsten, welche sich zum Christenthum
bekannten und Mohammed zu huldigen sich weigerten, war Okaïder
Ibn Malec von dem Stamme Kenda. Er residirte in der Mitte
seines Gebietes in einem Schlosse am Fuße eines Berges. Khaled
wurde mit einem Trupp Reiter abgeschickt, um ihn zu
unterwerfen. Da er sah, daß das Schloß zu stark war, um mit
Sturm genommen zu werden, so nahm er seine Zuflucht zur List.
Als in einer mondhellen Nacht Okaïder und sein Weib auf dem
platten Dache des Schlosses an der frischen Luft sich
erquickten: so gewahrten sie ein grasendes Thier, welches sie
für einen wilden Esel von den benachbarten Bergen hielten.
Okaïder, welcher ein begieriger Jäger war, ließ sich Roß und
Lanze bringen und sprengte in Begleitung seines Bruders Hassan
und einiger von seinen Leuten hinaus auf die Jagd. Der wilde
Esel erwies sich als Lockspeise. Sie waren nicht weit
geritten, als Khaled und seine Mannen aus dem Hinterhalte
hervorbrachen und sie angriffen. Sie waren zu leicht
bewaffnet, um viel Widerstand zu leisten. Hassan wurde an Ort
und Stelle getödtet und Okaïder gefangen genommen; die
Uebrigen flohen in das Schloß zurück, welches jedoch bald
übergeben wurde. Der Fürst wurde schließlich in Freiheit
gesetzt, indem er ein schweres Lösegeld zahlte und
tributpflichtig wurde.
Als ein Siegeszeichen schickte Khaled das von Hassans Leibe
genommene Gewand an Mohammed. Es war von Seide, reich mit Gold
gestickt. Die Moslemen sammelten sich ringsum und prüften es
mit Bewunderung. »Bewundert ihr dieses Gewand?« sagte der
Prophet. »Ich schwöre bei dem, in dessen Hand Mohammeds Seele
ist, das Gewand, welches Saad, der Sohn Maadi's in diesem
Augenblicke im Paradiese trägt, ist weit köstlicher.« Dieser
Saad war der Richter, welcher am Schlusse eines früheren
Feldzugs über siebenhundert gefangene Juden in Medina das
Todesurtheil fällte.
Da sich die Truppen durch den Aufenthalt bei Tabuc erholt
hatten und das benachbarte Land zur Unterwerfung gebracht war:
so war Mohammed entschlossen, das Ziel seines Feldzugs zu
verfolgen und in das Herz von Syrien vorzudringen. Sein Eifer
wurde jedoch von seinen Begleitern nicht getheilt. Die
Nachricht von ungeheuern Truppenmassen, welche sich auf den
syrischen Gränzen sammelten, hatten die Begeisterung des
Heeres gedämpft. Mohammed bemerkte die allgemeine Entmuthigung,
dennoch war er abgeneigt, den nur zur Hälfte ausgeführten
Feldzug aufzugeben. Er berief einen Kriegsrath und legte
demselben die Frage vor, ob vorwärts marschirt werden sollte
oder nicht? Darauf entgegnete Omar trocken: »Wenn du den
Befehl von Gott zum Vorrücken hast«, und Mohammed bemerkte,
»so würde ich dich nicht um Rath gefragt haben.« Omar fühlte
den Vorwurf. Hierauf zeigte er ihm in ehrerbietigem Tone, wie
unklug es wäre, Angesichts einer überlegenen Macht, welche auf
der syrischen Gränze zusammengezogen wäre, vorzurücken; er
stellte auch vor, wie viel Mohammed in diesem Feldzuge bereits
ausgeführt hätte. Dem gedrohten Angriff der kaiserlichen
Waffen hätte er Einhalt gethan; die Huldigung und Unterwerfung
verschiedener Stämme und verschiedenen Volkes von dem Ufer des
rothen Meeres bis zum Euphrat hätte er erhalten; er riethe ihm
daher, sich für das gegenwärtige Jahr mit dem, was er
vollendet, zu begnügen und die Durchführung des Unternehmens
auf einen künftigen Feldzug zu verschieben.
Der Rath desselben wurde angenommen. Denn Mohammed war
allemal, wenn er nicht in heftiger Aufregung war oder unter
eingebildeter Eingebung stand, ziemlich geneigt, in
militärischen Angelegenheiten seine Meinung der seiner
Feldherrn aufzuopfern. Daher ließ er nach ungefähr
zwanzigtägigem Aufenthalte bei Tabuc das Lager abbrechen und
führte die Armee nach Medina zurück.