Wahr und Falsch

Das Wahre und das Falsche

Ayatollah Morteza Motahhari

 

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Inhaltsverzeichnis

Die Verse der 13. Sure des Heiligen Qurans (Der Donner)

Im Vers 17 definiert der Heilige Qur’an anhand eines schönen Beispiels, was das Wahre und das Falsche ist.

"Er hat vom Himmel Wasser herabkommen lassen, und da strömen (ganze) Wadis (mit Wasser), so viel ihnen zugemessen war. Und die Flut trug an der Oberfläche Schaum. Und bei dem, was man im Feuer erhitzt in der Absicht, Schmuck oder Gerät zu erhalten, gibt es Schaum, der dem Schaum auf der Flut ähnlich ist. So prägt Gott das Wahre und das Nichtige. Was den Schaum betrifft, so vergeht er als Abfall. Was aber das betrifft, was für die Menschen von Nutzen ist (d.h. einerseits das Wasser als Grundstoff aller Vegetation, andererseits die in Gußformen hergestellten Schmuckstücke und Gebrauchsgegenstände), so bleibt es in der Erde. So prägt Gott die Gleichnisse."

Manche Interpreten sagen, so gebe uns Gott ein Beispiel vom Wahren und Falschen. Andere sagen, Gott habe, indem er uns so das Wahre und das Falsche erkläre, uns zeigen wollen, welche Beziehung zwischen Wahren und Falschem bestehe, welche der von Wasser und Schaum gleiche. "Was den Schaum betrifft, so vergeht er als Abfall. Was aber das betrifft, was für die Menschen von Nutzen ist, so bleibt es in der Erde." Hier will Er sagen, was dem Menschen nützt, also Wasser und Metall, bleibt, und das, was diese Nützlichkeit beschränkt, also das Nutzlose, verschwindet wie Schaum. Nutzlosigkeit, Nichtigkeit sind also zum Nichtsein verurteilt. So prägt Gott die Gleichnisse. Wir können aus diesem Beispiel einige nützliche Folgerungen ableiten. Das Falsche und die Nichtigkeit sind nur Phänomene, das Wahre jedoch ist etwas Authentisches. Schaum bedeckt das Wasser derart, daß ein Unwissender, der es betrachtet, nur den Schaum klatschen sieht; er achtet also nicht weiter auf das Regenwasser, das darunter fließt. Obgleich es letztendlich das Wasser ist, welches klatscht, und nicht der Schaum. Aber weil hier das eine das andere verdeckt, sieht ein Auge, das nur die Erscheinung registriert, ohne den Versuch zu unternehmen, die Wirklichkeit aufzuspüren, eben nur den Schaum. Genauso übersteigt das Falsche die Macht des Wahren und deckt es zu, vollkommen, so daß jemand, der einen oberflächlichen Blick auf die Gesellschaft wirft, nur die Eitlen sieht.

Wenn man beispielsweise in der iranischen Geschichte in das 13. Jahrhundert der Auswanderung des Propheten (s.a.s.) zurückgeht, ist die erste Gestalt, die unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkt, Nasreddin Schah, und möglicherweise könnten wir vermuten, alle Menschen jener Epoche hätten ihm geglichen. Aber wären alle Iraner Nasreddin Schahs gewesen, existierte heute auf Erden das Land Iran nicht mehr. Wären genauso in der Zeit, zu der Harun-ar-Raschid regierte, alle Menschen wie er gewesen, hätten alle seine Natur besessen, hätte sich mit Sicherheit die islamische Gesellschaft nicht zu halten vermocht. Denn Harun-ar-Raschid war Sinnbild von Unterdrückung, Betrug, Verleumdung, List, Lüsternheit, Unmoral und Schamlosigkeit. Wären wir zu jener Zeit in alle islamischen Dörfer gegangen, wären wir nur auf Harun-ar-Raschids gestoßen? Das heißt: Hätten wir lauter Menschen des gleichen Geistes und der gleichen Qualität gefunden wie ihn? Waren zu jener Zeit der Bauer, der Arbeiter, der Händler, der Künstler jeder in seinem Genre alle zweite Harun-ar-Raschids? Logen zu jener Zeit alle einander an? Betrog jeder den anderen? War jedermann damals unmoralisch? Unmöglich. Harun-ar-Raschid lebte dank der Aufrichtigkeit, der Ehrbarkeit, der Gutgläubigkeit und der Wahrheit, die diesen Leuten innewohnte. Angenommen, es hätte eine Milliarde Menschen wie Harun-ar-Raschid und seine Kompagnons gegeben, darf uns dennoch nicht zur Norm werden, so daß wir zu dem Schluß kämen, in jener Epoche habe die Niedertracht das Gute übertrumpft.

Betrachten Sie ein wenig das gewandelte Christentum und machen Sie dann eine Runde durch die Dörfer und Städte der christlichen Länder. Ist jeder Pfarrer, den Sie treffen, korrupt? Sicher nicht. Sicher sind die meisten Christen tugendhaft, aufrichtig, unberührt, widmen sich Gott im Namen Christi und der Heiligen Maria. An diesen Leuten ist nichts auszusetzen. Das Paradies erwartet sie, ihre Pfarrer und Priester werden ebenfalls ins Paradies eingehen. Man darf den Klerus, korrupt und herrschsüchtig, und die Päpste nicht mit dem Großteil der Missionare und Christen verwechseln. Diejenigen, die uns zu Gesicht kommen, sind nichts weiter als der (Ab-)Schaum auf der Wasseroberfläche. Dringt man jedoch in den Kern der Gesellschaft vor, treffen wir auf Leute, denen man nicht einmal Beachtung schenkt; dabei sind sie aufrichtige, ehrbare Leute. Übertrumpft denn bei jenem Chauffeur, der zwischen der einen und der anderen Stadt hin- und herfährt, um pro Tag 150 bis 200 Tuman[1] zu verdienen, oder bei jenem Bauern, der pausenlos arbeitet, die Niederträchtigkeit das Gute? Sicher nicht. Die meisten Leute besitzen doch immer ihr humanes moslemisches Wesen. Geht man, die Arbeiter in den Fabriken zu treffen, so ist man erstaunt, sie trotz all ihrer Entbehrungen in Bezug auf ihre Gesellschaft, auf ihre Religion (und die Revolution) ungetrübt optimistisch zu finden. Ihre Beunruhigung gilt dem Glauben und der Religion. In der Gesellschaft befinden sich diejenigen, bei denen das Gute über die Korruption herrscht, in der Mehrzahl. Und wenn in ihren Reihen tatsächlich jemals ein Fehler auftauchen sollte, so liegt dieser in ihrer Unwissenheit begründet. Sie sind dafür nicht verantwortlich und tragen keine Schuld. Ein Unwissender wird nicht für schuldig erklärt, und man darf ihn nicht mit den Korrumpieren, den Verschwörern und Gottlosen über einen Kamm scheren.

Die Wahrheit ist also eine authentische. Sie ist wie das Wasser, das unter dem Schaum fließt, und sie ist der Motor der Gesellschaft. Aber Falschheit und Lüge überdecken sie und setzen sich an die Oberfläche. Ein anderer Aspekt zur Interpretation des Verses des Heiligen Qur’ans ist der, daß das Falsche fortschreitet, indem es sich am Wahren festhakt und seine Kraft ausnützt. Die wirkliche Kraft gehört nämlich der Wahrheit, und sie transportiert das Falsche wie das Wasser den Schaum, wo jenes diesen mit sich trägt. Wenn da in der Geschichte ein gewisser Muawiya als Übeltäter auftaucht, so repräsentiert er noch lange nicht die ganze Gesellschaft. Im Herzen der Gesellschaft regiert der Prophet (s.a.s.), nicht Muawiya. Immer sind es Gott, der Glaube, der Heilige Qur’an, die Spiritualität, die die Gesellschaft tragen. Muawiya hat sich diese Macht oben aufgesetzt. Yazid, der Mörder Imam Hussains (a.s.) sagt: "Hussein wurde mit dem Schwert seines eigenen Vorfahren, des Propheten (s.a.s.), getötet." In einem speziellen Sinn können diese Worte zutreffen, denn die Genossen des Yazid profitierten von der Macht des Propheten (s.a.s.), um ihn zu töten und um die Menschen zu jenem Verbrechen zu ermutigen. Er rief aus: "Gottesreiter, besteigt Eure Rosse, damit das Paradies Euch günstig sei." Imam Baqir (a.s.), der 5. Imam sagt: "3000 Menschen hatten sich versammelt, um Imam Hussein zu ermorden, den Sohn Alis, auf dem der Segen Gottes liegen möge. Jeder dachte, indem er ihn tötete, wurde er sich vor Gott rechtfertigen. Sie meinten, Yazid sei der Khalif des Propheten, und Alis Sohn Hussein habe sich gegen ihn aufgelehnt, darum müßten sie nun gegen ihn kämpfen." Das Falsche schlägt das Wahre mit dessen eigenem Schwert. Es profitiert von der Kraft und Energie des Wahren wie ein Parasit, der sich vom Fleisch und Blut seines Gastgebers ernährt. Es ist gut möglich, daß er sich gut ernährt, daß er sogar kräftiger wird und der Gastgeber seine Kraft verliert und immer magerer und blasser wird, und daß seine Augen ihren Glanz verlieren. Der Heilige Qur’an sagt: "Wenn der Strom über die Ufer tritt, so ist das, was fließt, das, was Kraft hat und alles, was es unterwegs findet, mit sich reißt, das Wasser." Aber wir sehen nur den Schaum. Wäre das Wasser nicht, so könnte der Schaum sich nicht einmal um einen Schritt vorwärts bewegen. Aber auf dem Rücken des Wassers profitiert er von dessen Kraft.

Das Falsche hat immer von der Kraft des Wahren profitiert. Die Wahrheit ist vernünftig und wirft das Falsche ab. Gäbe es keine Wahrheit, so könnte die Lüge nicht existieren. D.h., gäbe es auf der ganzen Welt niemanden, der die Wahrheit sagte und alle Welt löge (der Vater belöge den Sohn, der Sohn den Vater, die Frau den Ehemann, der Mann seine Ehefrau, der Freund den Freund, der Kamerad den Kameraden), könnte die Lüge sich gar nicht mehr verbreiten, weil niemand dem anderen Glauben schenken würde. Warum rettet heutzutage die Lüge manchmal den Menschen? Weil es auf der Welt viele Menschen gibt, welche die Wahrheit sagen, und da man die Gewohnheit hat, Wahres zu hören, liegt es nahe, daß man auch einer Lüge glaubt und sich irrt. D.h., das Wahre nährt die Lüge und verleiht ihr die notwendige Kraft.

Auch mit der Unterdrückung ist es ähnlich: Gibt es keine Gerechtigkeit auf der Welt, vertraut keiner dem anderen und versucht jeder, den anderen zu bestehlen. So findet der größte Unterdrücker keinen, den er ausrauben könnte. Denn Ehrgefühl und Vertrauen, die Tatsache, daß man Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit respektiert, ermöglicht es ihm, seine bösen Absichten zur Ausführung zu bringen. Sie bewachen ihrerseits die Gesellschaft, und der Unterdrücker seinerseits setzt seine Ausbeutung fort.

Wenn Sie die Radiosendungen aus verschiedenen Ländern der Welt hören, so werden Sie nicht vernehmen, daß von Tyrannei gesprochen würde oder das diese Radiosender sagen würden, ihre Regierung hätte die Absicht, die Interessen der anderen Länder zu unterdrücken oder auszubeuten. Alle reden dagegen vom Frieden, von der Freiheit, von den Menschenrechten. Obwohl der größte Teil, wenn nicht sogar alle diese Radiosender, nur Lügen verbreiten. Die Regierenden dieser Länder leben unter der Decke dieser Lügen. Unter dem Deckmantel "Freiheit" ermorden sie die Freiheit. So wie ein wohlbekannter Ausspruch lautet: "Ach, Freiheit: Welche Verbrechen sind nicht schon alle in deinem Namen begangen worden." Das bedeutet: Ernährung des Falschen auf Kosten des Wahren.

Auch Nasreddin Schah, Harun-ar-Raschid oder Muawiya haben ihre falsche Gewalt mit der machtvollen Wahrheit des Volkes genährt, sonst hätten sie selbst nicht die geringste Macht besessen. Die 51. Rede Imam Alis (a.s.) im Nahj-ul-Balagha stellt sehr schön den Profit dar, den das Falsche aus der Wahrheit zieht. In dieser Rede sagt Imam Ali (a.s.):

"Unordnung und Durcheinander treten auf, sobald die Menschen ihren sexuellen Neigungen zu folgen beginnen. Anstatt sich Gott zu widmen, weihen sie sich ihren sinnlichen Bedürfnissen und folgen ihren eigenen Wünschen. Und dann erlassen sie, um ihrem Benehmen Glaubwürdigkeit zu verleihen, Dekrete, denen sie einen religiösen Schein zu verleihen suchen.“

Wessen bedient sich einer, der nur seinen eigenen Wünschen folgt? Der Macht des Wahren. Die Dekrete, die er gegen jede religiöse Tradition neu einführt, tragen den Anschein von Religiosität, denn es ist ihm klar, daß die Religion die Macht innehat und alles schützt. Wenn er es dagegen als eigene Parole ausgibt, wird niemand sie akzeptieren. So beginnt er im Namen der Religion und sagt so uns so und erklärt diesen und jenen Vers des Heiligen Qur’ans in dieser und jener Weise. Auch sein Vorfahre hätte berichtet, der Prophet (s.a.s.) hätte das gesagt, oder Imam Dschafar-as-Sadiq (a.s.), der 6. Imam, hätte jenes gesagt, und auf diese Weise profitieren er und sein Vorfahre von der Kraft des Heiligen Qur’ans, des Propheten (s.a.s.), des Imams (a.s.), um seiner Sache, die vollkommen falsch ist, den Siegel der Wahrheit aufzuprägen.

Die neu eingeführten Dekrete, die sich gegen die religiöse Tradition richten, widersprechen den göttlichen Dekreten, die im Heiligen Qur’an offenbart sind. Da treffen gewisse Leute zusammen, einigen sich und verbinden sich zu einer Partei oder einer Gruppe, und unter dem Schein der Bekehrung verbreiten sie Propaganda für ihre eigenen Absichten und ihre Neuerungen, die sich der religiösen Tradition widersetzen. Der Heilige erklärt dann die Philosophie, die in diesem Thema steckt, und deutet sie vollkommen aus: "Wenn also das Falsche nicht mit dem Wahren verwechselt wird, werden die, die auf der Suche nach der Wahrheit sind, keinem Irrtum unterlaufen." Denn die meisten Menschen sind anfangs ursprünglich-gläubig. (Neu­ein­führung von Dekreten innerhalb der Religion bedeutet: Ein Dekret neu einzuführen, das im Widerspruch zur religiösen Tradition steht. Gegen solche Neuerungen wehrt sich die Religion, sie werden von ihr verdammt. Dazu findet sich in der Geschichte eine schöne Begebenheit: Zur Zeit als Abu Huraira Gouverneur in Mekka wahr, kam ein armer Mann aus Ata. Er hatte Zwiebeln mitgebracht und wollte sie in Mekka verkaufen. Da wandte er sich an Abu Huraira, daß er ihm helfe und ihn davor bewahre, ins Unglück zu stürzen. Abu Huraira stellte sich am folgenden Freitag hinter des Rednerpult auf der Tribüne und verkündete: "Das Paradies erwartet diejenigen, die in Mekka Zwiebeln kaufen!" Da sehen wir, was Neuerungen sind!)

Aber man hat das Wahre und das Falsche vermischt, so daß die Menschen Irrtümer eingehen, indem sie beides miteinander verwechseln, und sie bemühen sich um das Falsche, das den Siegel des Wahren trägt. Wäre das Wahre vom Falschen getrennt, bliebe es denen, die nach der Wahrheit suchen, und den bewußt Gläubigen nicht verborgen. Wäre eines Tages das Wahre vom Falschen abgeschält, so fänden die Nörgler keinen Vorwand mehr zur Kritik. Denn manche betrachten dieses Gemisch als das absolut Wahre, und wenn sie dann seine Folgen betrachten, sehen sie nur, was Ärger erregt. Daraus leiten die Gegner dann die Gelegenheit für sich ab, Kritik zu üben und zu sagen, Eure Religion und Eure religiösen Prinzipien seien verfälscht, ohne zu wissen, daß der Urheber der Verfälschung allein das Falsche ist. Das Wahre dagegen erlaube nie, daß seine Gegner es kritisieren. Die Geschichte mit Muawiya erklärt das. Wie wurde er Khalif? Indem er sich auf die Macht des Wahren stützte, auf jene ursprünglich-gläubigen Menschen und auf jene Wahrheitssuchenden, die sich erst neu zum Islam bekehrt hatten, für den nun ihr Herz schlug.

Als Osman[2] am Ende seiner Irrwege ermordet wird, gibt ihm Muawiya nicht die geringste Hilfestellung. Denn er hatte ja nichts mit ihm zu tun, er dachte ja einzig und allein an seine eigene Regierung. Nach kurzer Überlegung war er zu dem Schluß gekommen, daß der Tod Osmans in seinem Interessenbereich lag. Da schickte er seine Spione, die Blut durchtränkten Kleider, die abgehackte Hand und einen Finger von Osman zu holen. Als sie diese Dinge herbeigebracht hatten, hängte Muawiya die Kleider an das berühmte Tor von Scham[3] oder an die Moschee von Damaskus und brach, nachdem er sich selbst auf der Tribüne plaziert hatte, in Krokodilstränen aus, wobei er rief: "Ach, ihr Leute: Das Opfer, der Khalif des Propheten, ist ermordet worden. Seht hier sein Blut durchtränktes Hemd!" Da brachen alle in lautes Weinen aus. Auf diese Weise brachte Muawiya die Leute tagelang zum Weinen, sprach von jenem armen Opfer, und trug den Vers vor: " 'Die Eltern eines Opfers haben das gute Recht, es zu rächen; aber sie sollen dabei nicht zu weit gehen und zu viele Menschen töten. So werden sie siegreich sein.' Also, was sagt Ihr dazu? Sollen wir hier sitzen und schweigen angesichts dieses Verbrechens, das dem Islam angetan worden ist.?" Alle Leute sagten darauf: "Nein, wir sind zum Kampf mit ganzem Herzen bereit." Dann versammelte er alle zum Kampf gegen Imam Ali (a.s.). Muawiya, der selbst keinerlei Macht hatte, profitierte also von der des Heiligen Qur’ans. Dann schickte Muawiya Ziad-ibn-Umayyah, einen echten Ausbund von Unruhestifter, unter das Volk. Und was sagt das Volk? Es sagt: "Seht nun da, das ist der Islam: Seht, was sein Gouverneur getan hat!" Seine Gegner finden Gelegenheit zu Kritik. Da sagt der Imam (a.s.):

"Man mischt einen Teil des Wahren mit einem Teil Falschem. So wie einer ein wenig fremde Körner unter das Getreide mischt. Er weiß genau, daß kein Mensch zum Kaufen käme, verkaufte er nur dieses Korn. Also mischt er das Korn unter das Getreide, um es den Leuten als reinen Weizen anzudrehen. Abends dann beim Essen merken die Käufer, daß das, was sie da essen, überhaupt kein Brot aus Weizenmehl ist. Genauso herrscht der Satan über seine Freunde, d.h. er bedient sich des Wahren, das mit Falschem vermischt ist, des Wahren im Kleid des Falschen, als Instrument."

Aus diesem Grund sagt der Heilige Qur’an: "Das Falsche nährt sich vom Wahren, weil es selbst nicht die geringste Macht hat." Wäre das Wasser nicht, käme der Schaum nicht zwei Schritt vorwärts. Wenn ihr seht, daß das Falsche fortschreitet, so ist es, weil es auf den Wahren reitet, und es ist die Kraft des letzteren, die ihm Bewegung verleiht. Sehen Sie also, wie der Heilige Qur’an das Falsche für null und nichtig erklärt und es bedeutungslos werden läßt. Der scheinbare Sieg beruht auf dem Falschen, der endgültig Triumph gehört dem Wahren.

Nur bei oberflächlichem, nicht tiefer gehendem und weiter analytischem Blick kann das Falsche eine gewisse Gestalt gewinne. Ein Kind z.B., das in seinem Leben noch nie einen reißenden Strom gesehen hat, weiß nicht, was das ist und woher es kommt. Wenn es ihn dann erblickt, so ist es für ihn ein Meer von Schaum, das da fließt. Es denkt, daß es nichts außer Schaum gäbe. Die Erscheinung, d.h., das Falsche siegt also zuerst, aber am Ende wird es vernichtet. Der Heilige Qur’an sagt: "Dehnt Euren Blick aus und vertieft ihn. Wenn ihr die Gesellschaft erkennen wollt, laßt Euch nicht durch das Erscheinungsbild irreführen." Wenn Ihr die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts, die Zeit von Nasreddin Schah, kennenlernen wollt, so stützt Euch nicht nur auf ihn, auf seine Unternehmungen, seine Unterdrückungsaktionen, und sagt Euch dann nicht, daß zu jener Zeit jedermann wie er gewesen wäre. Er darf nicht zum Sinnbild für das Kennenlernen der Menschen des vergangenen Jahrhunderts werden. Wenn man Nasreddin Schah als Sinnbild nimmt, wie erklärt man sich dann denn Erlaß des Tabakverbots, den Mirzaye Schirazi ausrief, und die großartigen Effekte dieses Verbots? Während Nasreddin Schah unter Ausnutzung der Unwissenheit der Leute dem Ausland gewisse Vorteile einräumt, beginnen religiöse Gelehrte und Klarsehende in der Hauptstadt sowie überall in den Städten Unruhe (gegen den ausländischen Einfluß) zu stiften und die Leute auf diese Tatsache hinzuweisen. So verkündete Mirzaye Schirazi dem iranischen Volke seinen Erlaß von Samara[4] bezüglich des Tabakverbots. Diese Neuigkeit explodierte wie eine Bombe, die Leute erhoben sich gegen Nasreddin Schah und die Tatsache, daß er die Konzession des Tabaks an ausländische Gesellschaften gegeben hätte. Das zeigt, wie im Grunde hinter dem Falschen ein bestimmter Glaube, eine bestimmte Wahrheit steht, die dominiert. In dieser Zeit hielten die Frauen, die wie die Frauen der Frühzeit des Islam selten aus dem Haus zu gehen pflegten, ihre Männer plötzlich an der Tür fest und sagten ihnen, es gelte zu kämpfen, wenn sie das nicht tun werden, hätten sie kein Recht, nach Hause zurückzukommen, und sie würden nicht mehr mit ihnen weiterleben. Daran zeigt sich, daß Nasreddin Schah eben nicht Sinnbild seines Jahrhunderts war. Vielleicht waren die Leute damals unwissend, aber jedenfalls nicht bösartig. Man versuchte, die Leute in ihrer Unwissenheit zu belassen, ohne daß sie bösartig oder korrupt gewesen wären.

Gehen wir noch ein Jahrhunderts weiter zurück, in die Zeit des Nader Schah, der ein Minarett aus Menschenköpfen errichtet hat. Ist er ebenfalls Symbol seiner Zeit? Dem Heiligen Qur’an zufolge sind solche Leute nichts weiter als Schaum auf dem Wasser. Man darf sein Urteil nicht auf sie und ihre Taten stützen. Wäre jedermann so kriminell wie Nader Schah, so wäre die Gesellschaft erstarrt. Der Heilige Qur’an sagt: "Wenn alle Menschen innerhalb einer Gesellschaft niederträchtig, korrupt, unterdrückerisch und verlogen wären, so hätten wir sie längst zugrunde gehen lassen." Unmöglich, daß sie weiter existiert hätte. Warum spricht der Heilige Qur’an von der Ausrottung gewisser Völker, deren Wurzeln ausgerissen worden sind, damit sie zugrunde gehen? Weil die Mehrheit dieser Leute anfing, böse zu werden. Man rottete sie aus und ließ sie untergehen. Wenn nun die Gesellschaft weiter existiert, so ist das deshalb, weil die Mehrzahl gut und tugendhaft ist, und die verbleibende Minderheit ist nur Schaum auf dem Wasser. Wie eine provisorische Angelegenheit, wie ein Phänomen, wie ein vorübergehendes Glänzen hat auch das Falsche keine Dauer.

In unserer Sprache[5] gibt es Ausdrücke, die bereits zu Sprichwörtern geworden sind; eines davon lautet: "Das Wahre ist ewig und dauert an, während das Falsche nur einen vergänglichen Glanz besitzt." Oder ein anderes, das lautet: "Das Falsche hat einen vergänglichen Glanz, aber am Ende geht es zugrunde, während das Wahre beständig ist und immer bestehen bleiben wird." So läßt sich schließlich feststellen, daß es das Wahre ist, von welchem das Falsche sich nährt, genau wie der Schatten es dem Licht zu verdanken hat, daß er existiert. Sicher, wenn es kein Wahres gäbe, existierte auch das Falsche nicht mehr, denn das Falsche will im Namen des Wahren unter seinem Schutz und mit der Kraft seines Lichtes leben. Das Wahre ist wie Wasser, das, wenn es in seinem Bett dahin fließt, auf Verschmutzungen trifft, die es aufnimmt und zu allen Seiten hin verspritzt, was dann den schmutzigen Schaum zur Erscheinung bringt. Das ist nötig für den natürlichen Lauf des Wassers. In diesem wie in anderen Versen will uns der Heilige Qur’an das Wahre als etwas Authentisches vor Augen führen, ohne dabei zu vergessen, vom Falschen zu sprechen, welches er aber als unauthentisch darstellt, und er verurteilt den Mißbrauch des Wahren durch das Falsche.

[1] Iranische Zahlungseinheit

[2] Dritter Khalif

[3] Scham ist die damalige Provinz des heutigen Syrien

[4] Ein Ort im Irak

[5]Gemeint ist das Persische

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