Husein erreicht Kerbela
Abu Michnaf sagt: Husein zog dann von Caßr banu Mukatil
weiter und schlummerte auf dem Pferde ein, sodass er den Kopf
hängen ließ; dann erwachte er und sprach: Wir sind Gottes und
werden zu ihm zurückkehren, gelobt sei Gott der Herr der
Welten ! Dies wiederholte er zwei- oder dreimal, da nahte sich
ihm sein Sohn 'Ali und fragte: lieber Vater, weshalb sagtest
du diese Worte? Er antwortete: lieber Sohn, ich war
eingeschlummert , da sah ich einen Reiter auf einem Pferde,
der sprach: »die Leute ziehen dahin, und der Tod zieht mit
ihnen;« da wusste ich, dass dadurch unser Tod uns angemeldet
wurde. — Aber, lieber Vater, Gott hat dich doch nichts
schlimmes, nichts abschreckendes sehen lassen, sind wir nicht
im Recht? — Gewiss, bei Gott! — Dann, bei Gott, wollen wir uns
keine Sorge machen, dass wir sterben, da wir im Recht sind. —
Sobald der Morgen anbrach, stieg er ab und betete das
Frühgebet, dann beschleunigte er den Ritt und während sie
weiter zogen, nahte sich ein Reiter auf einem prächtigen
Camele, er kam von Kufa, mit dem Bogen über die Schulter; sie
machten alle Halt, um ihn zu erwarten. Als er zu ihnen
gelangte, begrüßte er el-Hurr, nicht aber Husein, und
überreichte jenem einen Brief von Ibn Zijad, worin er sagte:
Wenn mein Brief zu dir kommt , so schließe Husein ein in ein
enges Gebiet, wo weder Wasser noch Weide ist; ich habe meinem
Abgeordneten befohlen dich nicht zu verlassen , bis du meinen
Befehl ausgeführt hast. Lebe wohl! —
Nachdem el-Hurr den Brief gelesen hatte , ließ er Husein
Halt machen und sagte: dieser Brief des Emir beauftragt mich,
dich an der Stelle einzuschließen, wo mich sein Brief treffen
würde. Sie zogen zusammen noch eine Strecke weiter, bis sie
das Land Kerbela erreichten, dies geschah am Morgen des
Mittwoch: das Pferd, welches Husein ritt, blieb stehen, er
trieb es an, aber es ließ sich nicht weiter treiben und war,
so lange er darauf saß, nicht von der Stelle zu bringen ,
weder links noch rechts. Er stieg ab und bestieg ein Pferd
nach dem anderen, bis er sechs Pferde versucht hatte, keines
ging von der Stelle. Er fragte nun: weiß einer von euch, wie
dieses Land heißt? Da sagte einer von ihnen: dies ist das
Land Gadhinja. — Hat es noch einen anderen Namen? — Ja,
Ninive. — Kennst du außer diesen beiden Namen noch einen
anderen? — Ja, dies ist das Land Kerbela. — Da tat er einen
tiefen Seufzer und sagte dann: dies ist, bei Gott, das Land
von Kerb und bela »Trauer und Unglück«, haltet an und geht
nicht weiter, steigt ab und zieht nicht fort, hier ist, bei
Gott , der Lagerplatz unserer Reittiere, hier wird unser Blut
vergossen, hier werden unsere Frauen öffentlich zur Schau
gestellt, hier unsere Männer getötet werden, hier ist der
Platz für unsere Gräber, hier der Ort unsrer Wiedererweckung
und Auferstehung, hier hat es mein Großvater der Gottgesandte
vorausgesagt und sein Wort unterliegt keinem Zweifel. Er stieg
ab vom Pferde, befahl die Zelte aufzuschlagen und nachdem man
sich gelagert hatte, schlummerte er ein; als er erwachte, hing
er die Koppel mit dem Schwert um und sprach :
O Glück, wie wenig bist du ein aufrichtiger Freund!
Von Aufgang bis zum Niedergang der Sonne wie viele
deiner Anhänger und Genossen sind tot,
und das Glück war nicht geneigt zu einem Ersatz.
Ein jeder Lebende geht seinen Weg,
und die Herrschaft ist nur bei dem Erhabenen.
B. Wie nahe ist das Ziel für den Wandrer
nach den Paradiesgärten und nach dem Mittags-Ruheplatz.
Ali ben Husein sagt : Mein Vater wiederholte diese Verse
zwei- oder dreimal, ich behielt sie im Gedächtnis und
erkannte, was er damit sagen wollte; ein Tränenstrom
erstickte meine Stimme, doch ich unterdrückte meine Klage und
zwang mich zum Schweigen, soviel ich konnte. Aber meine Tante
Zeinab, als sie nach ihm aufhorchte und ihn hörte, (sie war
ein zaghaftes Weib,) da zeigte sie offen ihre Besorgnis und
ihre Trauer und sie konnte sich selbst nicht beherrschen; sie
nahm ihre Schleppe zusammen, bis sie zu ihm hintrat und sagte:
o Freude meiner Augen, möchte der Tod mir das Leben rauben, o
Nachfolger der Verstorbenen und Stütze der Überlebenden!
Husein sah sie an und sprach: o liebe Schwester, lass den
Satan nicht mit deinem Verstände davon gehen. Sie erwiderte:
o mein Herr, du sollst getötet werden, und ich soll dabei
zusehen? Husein unterdrückte seine Angst, aus seinen Augen
quollen Tränen und er sprach zu ihr: o liebe Schwester, wenn
der Cata-Vogel verlassen wird, wird er müde und schläft
ein. Sie erwiderte: o mein Bruder, bei Gott! du verwundest
mir das Herz; dabei schlug sie sich auf die Backen, bis sie
ohnmächtig hinsank. Husein ben Ali trat auf sie zu und sagte :
o liebe Schwester, vertraue auf Gott und bedenke, dass die
Erdenbewohner sterben müssen und selbst die Himmelsbewohner
nicht ewig leben; alle Dinge sind vergänglich, nur nicht sein
Antlitz; mein Vater, mein Großvater, meine Mutter und mein
Bruder waren besser als ich , sie sind gestorben und darin
liegt ein Trost für mich und für alle Muslime.
Durch diese Vorstellung tröstete er sie, dann fuhr er fort:
o liebe Schwester, bei allem , was du mir schuldig bist, bitte
ich dich , wenn ich sterbe , so zerreiße nicht meinetwegen
dein Busentuch, schlag dir nicht meinetwegen das Gesicht wund
und rufe nicht ach und weh! Dann ging er mit ihr weg, führte
sie in ihr Zelt und verließ sie; er begab sich zu seinen
Begleitern und befahl ihnen die Hütten nahe bei einander zu
errichten, und so machten sie es.