Der Tod des Husein ...

Der Tod des Husein ben Ali und die Rache

Ein historischer Roman aus dem Arabischen

Ferdinand Wüstenfeld

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Husein erreicht Kerbela

Abu Michnaf sagt: Husein zog dann von Caßr banu Mukatil weiter und schlummerte auf dem Pferde ein, sodass er den Kopf hängen ließ; dann erwachte er und sprach: Wir sind Gottes und werden zu ihm zurückkehren, gelobt sei Gott der Herr der Welten ! Dies wiederholte er zwei- oder dreimal, da nahte sich ihm sein Sohn 'Ali und fragte: lieber Vater, weshalb sagtest du diese Worte? Er antwortete: lieber Sohn, ich war eingeschlummert , da sah ich einen Reiter auf einem Pferde, der sprach: »die Leute ziehen dahin, und der Tod zieht mit ihnen;« da wusste ich, dass dadurch unser Tod uns angemeldet wurde. — Aber, lieber Vater, Gott hat dich doch nichts schlimmes, nichts abschreckendes sehen lassen, sind wir nicht im Recht? — Gewiss, bei Gott! — Dann, bei Gott, wollen wir uns keine Sorge machen, dass wir sterben, da wir im Recht sind. — Sobald der Morgen anbrach, stieg er ab und betete das Frühgebet, dann beschleunigte er den Ritt und während sie weiter zogen, nahte sich ein Reiter auf einem prächtigen Camele, er kam von Kufa, mit dem Bogen über die Schulter; sie machten alle Halt, um ihn zu erwarten. Als er zu ihnen gelangte, begrüßte er el-Hurr, nicht aber Husein, und überreichte jenem einen Brief von Ibn Zijad, worin er sagte: Wenn mein Brief zu dir kommt , so schließe Husein ein in ein enges Gebiet, wo weder Wasser noch Weide ist; ich habe meinem Abgeordneten befohlen dich nicht zu verlassen , bis du meinen Befehl ausgeführt hast. Lebe wohl! —

Nachdem el-Hurr den Brief gelesen hatte , ließ er Husein Halt machen und sagte: dieser Brief des Emir beauftragt mich, dich an der Stelle einzuschließen, wo mich sein Brief treffen würde. Sie zogen zusammen noch eine Strecke weiter, bis sie das Land Kerbela erreichten, dies geschah am Morgen des Mittwoch: das Pferd, welches Husein ritt, blieb stehen, er trieb es an, aber es ließ sich nicht weiter treiben und war, so lange er darauf saß, nicht von der Stelle zu bringen , weder links noch rechts. Er stieg ab und bestieg ein Pferd nach dem anderen, bis er sechs Pferde versucht hatte, keines ging von der Stelle. Er fragte nun: weiß einer von euch, wie dieses Land heißt? Da sagte einer von ihnen: dies ist das Land Gadhinja. — Hat es noch einen anderen Namen? — Ja, Ninive. — Kennst du außer diesen beiden Namen noch einen anderen? — Ja, dies ist das Land Kerbela. — Da tat er einen tiefen Seufzer und sagte dann: dies ist, bei Gott, das Land von Kerb und bela »Trauer und Unglück«, haltet an und geht nicht weiter, steigt ab und zieht nicht fort, hier ist, bei Gott , der Lagerplatz unserer Reittiere, hier wird unser Blut vergossen, hier werden unsere Frauen öffentlich zur Schau gestellt, hier unsere Männer getötet werden, hier ist der Platz für unsere Gräber, hier der Ort unsrer Wiedererweckung und Auferstehung, hier hat es mein Großvater der Gottgesandte vorausgesagt und sein Wort unterliegt keinem Zweifel. Er stieg ab vom Pferde, befahl die Zelte aufzuschlagen und nachdem man sich gelagert hatte, schlummerte er ein; als er erwachte, hing er die Koppel mit dem Schwert um und sprach :

O Glück, wie wenig bist du ein aufrichtiger Freund!
Von Aufgang bis zum Niedergang der Sonne wie viele
deiner Anhänger und Genossen sind tot,
und das Glück war nicht geneigt zu einem Ersatz.
Ein jeder Lebende geht seinen Weg,
und die Herrschaft ist nur bei dem Erhabenen.
B. Wie nahe ist das Ziel für den Wandrer
nach den Paradiesgärten und nach dem Mittags-Ruheplatz.

Ali ben Husein sagt : Mein Vater wiederholte diese Verse zwei- oder dreimal, ich behielt sie im Gedächtnis und erkannte, was er damit sagen wollte; ein Tränenstrom erstickte meine Stimme, doch ich unterdrückte meine Klage und zwang mich zum Schweigen, soviel ich konnte. Aber meine Tante Zeinab, als sie nach ihm aufhorchte und ihn hörte, (sie war ein zaghaftes Weib,) da zeigte sie offen ihre Besorgnis und ihre Trauer und sie konnte sich selbst nicht beherrschen; sie nahm ihre Schleppe zusammen, bis sie zu ihm hintrat und sagte: o Freude meiner Augen, möchte der Tod mir das Leben rauben, o Nachfolger der Verstorbenen und Stütze der Überlebenden! Husein sah sie an und sprach: o liebe Schwester, lass den Satan nicht mit deinem Verstände davon gehen. Sie erwiderte: o mein Herr, du sollst getötet werden, und ich soll dabei zusehen? Husein unterdrückte seine Angst, aus seinen Augen quollen Tränen und er sprach zu ihr: o liebe Schwester, wenn der Cata-Vogel verlassen wird, wird er müde und schläft ein. Sie erwiderte: o mein Bruder, bei Gott! du verwundest mir das Herz; dabei schlug sie sich auf die Backen, bis sie ohnmächtig hinsank. Husein ben Ali trat auf sie zu und sagte : o liebe Schwester, vertraue auf Gott und bedenke, dass die Erdenbewohner sterben müssen und selbst die Himmelsbewohner nicht ewig leben; alle Dinge sind vergänglich, nur nicht sein Antlitz; mein Vater, mein Großvater, meine Mutter und mein Bruder waren besser als ich , sie sind gestorben und darin liegt ein Trost für mich und für alle Muslime.

Durch diese Vorstellung tröstete er sie, dann fuhr er fort: o liebe Schwester, bei allem , was du mir schuldig bist, bitte ich dich , wenn ich sterbe , so zerreiße nicht meinetwegen dein Busentuch, schlag dir nicht meinetwegen das Gesicht wund und rufe nicht ach und weh! Dann ging er mit ihr weg, führte sie in ihr Zelt und verließ sie; er begab sich zu seinen Begleitern und befahl ihnen die Hütten nahe bei einander zu errichten, und so machten sie es.

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