Jazid zu Ali ben Husein
Jazid wandte sich nun zu Ali ben Husein und fragte: wer ist
dieser Bursch ? Man erwiderte: Dies ist Ali ben Husein. — Gott
verdamme ihn! hat nicht Gott den 'Ali getötet? — Ja, dieser
hatte einen älteren Bruder mit Namen 'AH, der ist getötet und
dies ist 'Ali der jüngere. — Jetzt redete ihn Jazid an :
Junger Bursch, du bist der, dessen Vater Kalif werden wollte;
gelobt sei Gott, welcher sein Blut vergossen hat, ihn in meine
Gewalt gebracht und den Gläubigen Ruhe vor ihm gegeben hat,
'AH entgegnete : o Jazid, wer hatte ein größeres Recht an das
Chalifat als mein Vater? er war der Sohn der Tochter des
Gottgesandten und der Sohn des von ihm eingesetzten Erben; o
Jazid, hast du nicht das Wort Gottes gehört, wie er sagt (Sure
57, 2 2): Es trifft nichts ein, weder auf Erden noch bei euch
selbst, was wir nicht in dem Buche im voraus bestimmt hätten,
dies ist für Gott ein leichtes, also tröstet euch über das,
was euch entgeht , und freut euch nicht über das, was euch
zukommt, denn Gott liebt keinen stolz einherschreitenden und
hoffärtigen. — Jazid nämlich trug schneeweißes Unterzeug und
glänzende Kleider und einen Mantel und Schuhe mit Riemen, er
schritt beim Gehen stolz einher und betrachtete sich selbst
wohlgefällig; deshalb führt 'Ali ben Husein die Worte des
Koran an: und Gott liebt keinen stolz einherschreitenden und
hoffärtigen. — Darüber wurde Jazid aufgebracht und sagte:
junger Bursch, es scheint, als wenn du dich uns widersetzen
willst ; und er befahl einem Manne , der neben ihm stand :
nimm diesen fest und schlag ihm den Kopf ab. Da fing 'Ali ben
Husein an zu weinen und rief mit diesen Versen:
Ich rufe dich an, o lieber Großvater, o bester der
Gesandten!
dein Freund ist getötet und deine Nachkommen sollen vertilgt
werden.
Seine Tanten und Schwestern fingen an zu weinen und zu
klagen und riefen: o Jazid, halt ein ! hast du noch nicht
genug Blut von uns, dem heiligen Hause, vergossen? willst du
Muhammeds Familie ganz von der Erde vertilgen? Auch die
Herumsitzenden weinten und sagten: bei Gott! nimm dich in
Acht! lass ab von diesem Knaben, denn es ist nicht erlaubt
einen zu töten, der noch nicht mannbar ist. Da befahl er, ihn
loszulassen. 'Ali aber trat auf Jazid zu und sprach zu ihm:
ich bitte dich bei Gott, wenn es deine Absicht ist mich zu
töten, so schicke mit diesen Frauen einen sicheren Begleiter,
der sie nach dem Heiligtume ihres Großvaters zurückführt. Da
brachen die Menschen in laute Klagen aus und riefen unter
Weinen und Klaggeschrei, sodass Jazid einen Aufruhr
befürchtete, und er sagte: junger Bursch, ängstige dich nicht,
es soll sie kein anderer zurückführen als du.
Hierauf befahl er einem Manne, der sich durch seine
Feindschaft besonders bemerklich machte, eine scharfe Zunge
und einen verwegenen Sinn hatte und dadurch die anderen
Prediger übertraf, er solle die Kanzel besteigen und nichts
unerwähnt lassen, was er über Husein schlechtes sagen könne,
und er war dazu bereit. Da trat Sukeina Huseins Schwester vor
und sprach: wehe dir ! wie wenig Schamgefühl hast du und
welche Schlechtigkeiten werden meinem Vater und Großvater
nachgesagt. Jazid erwiderte: willst du noch nicht schweigen,
du Tochter des Rebellen? Sie antwortete: wehe dir! wer hatte
ein größeres Recht an das Kalifat, mein Vater oder du? seine
Mutter war Fatima und sein Großvater der Gottgesandte; bei
Gott! ich habe vor einigen Nächten ein Traumgesicht gehabt,
welches in mir das Verlangen erregte zu meinem Vater und
meinem Großvater dem Gottgesandten zu kommen. — Und was hast
du gesehen? — Ich sah meinen Vater, er drückte mich an seine
Brust , küsste mich auf die Stirn und sprach: o Sukeina,
unterlasse es nicht, jeden Tag und Nacht in 51 Verbeugungen zu
beten, dies setze dir als deine bestimmte Anzahl. Gestern nun
brachte ich die Nacht auf meinem Lager zu und als ich meine
Zahl beendigt hatte und mich auf die Seite legte, sah ich im
Traum ein Schloss von Lichtglanz, die Zinnen von rotem
Hyacinth, und während ich es betrachtete, öffnete sich ein
Thor desselben und es traten fünf Greise heraus, die Gott
besonders groß erschaffen und mit einem Lichtglanz umgeben
hatte. Ihnen voran ging ein Diener, an diesen trat ich heran
und fragte ihn, wem dies Schloss gehöre ; er antwortete: dies
ist das Schloss deines Vaters Husein. — Und wer sind diese
Greise, welche Gott so groß erschaffen, mit Lichtglanz umgeben
und mit wohlriechendem Duft ausgestattet hat? — Der erste ist
der Vater des Menschengeschlechtes ; der zweite ist Noah der
Vater der Propheten; dann Abraham der Freund Gottes , Moses
das Wort Gottes und Jesus der Geist Gottes. — Während ich
hinsah, kam ein Mann herbei, das Gesicht wie der Mond, von
glänzender Farbe, als wenn die Sterne der Welt ihn bedeckten,
er hielt seinen Bart mit der Hand umfasst. Ich fragte den
Diener: wer ist der, welcher seinen Bart mit der Hand umfasst
hält und bald aufsteht, bald niederfällt? — Dies ist dein
Großvater der Gottgesandte. — Bei Gott! ich will ihm klagen,
was uns begegnet ist. Ich näherte mich ihm und sprach: o
lieber Großvater, unsere Männer sind getötet, unser Blut ist
vergossen, o lieber Großvater, unsere Frauen sind beschimpft,
wenn du uns nach deinem Hingange gesehen hättest . wie wir auf
bloßen Sätteln zu Jazid geschickt wurden, dem Anblicke der
Frommen und der Gottlosen preisgegeben!
Da neigte er sich zu mir, drückte mich an seine Brust und
weinte bitterlich; Adam. Noah , Abraham, Moses und Jesus kamen
auf mich zu und sagten: o Sukeina, massige deine Stimme ein
wenig, du hast schon den Gottgesandten zum Weinen gebracht.
Der Diener nahm mich bei der Hand und führte mich in das
Schloss, hier sah ich fünf Frauen, die Gott sehr groß
erschaffen und mit Lichtglanz umgeben hatte, darunter eine von
besonders großer Gestalt, mit aufgelöstem Haare und schwarzen
Kleidern, sie hatte ein seidenes mit Blut beschmutztes
Unterkleid bei sich, wenn sie aufstand, standen die anderen
mit ihr auf, wenn sie sich setzte, setzten sie sich mit ihr.
Ich fragte den Diener: wer sind diese Frauen und wer ist jene
unter ihnen, die bald aufsteht, bald niederfällt ? Er
antwortete: o Sukeina, die erste ist Eva die Mutter des
Menschengeschlechtes, dann Mirjam die Tochter des Imran, diese
ist Chadi'ga die ältere, die Tochter des Chuweilid. und jene
Sara die Mutter des Isaak. — Und wer ist die in den schwarzen
Kleidern mit dem blutigen Unterkleide, welche bald aussteht,
bald niederfällt? — O Sukeina, diese ist deine Großmutter
Fatima die hehre. — Ich nahte mich ihr und sprach : o liebe
Mutter, unser Vater ist getötet, ich bin verwaist für meine
alten Tage ; da zog sie mich an ihre Brust und weinte heftig
und die Frauen sprachen zu ihr: Gott richte zwischen dir und
zwischen Jazid. — Jazid nahm auf ihre Worte keine Rücksicht
und befahl dem Manne die Kanzel zu besteigen und nichts
unerwähnt zu lassen, was er schlechtes über Husein und seine
Familie sagen könnte, und er that dies.
Dann sprach zu ihm 'All ben Husein: Ich bitte dich bei
Gott, dass du mir erlaubst die Kanzel zu besteigen und eine
Rede zu halten, woran Gott Wohlgefallen und das Volk
Beruhigung finden wird; er antwortete : du bist dessen nicht
würdig , schweig ! da schwieg er. Es waren aber in der
Versammlung einige Männer, welche die Rede des Zein el-'Abidim
zu hören wünschten, sie traten deshalb an Jazid heran und
sprachen : was schadet es dir , wenn du diesem jungen Burschen
erlaubst die Kanzel zu besteigen und zu reden? schwerlich wird
etwas gescheites herauskommen, denn wenn er die Kanzel
besteigt und die Menge Menschen um sich sieht, wird er nichts
vorbringen können. Der Prediger kam also herab und 'Ali ben
Husein stieg die Kanzel hinauf, er lobte Gott und pries ihn,
gedachte des Propheten und fuhr dann fort: o ihr Leute ! wer
mich kennt , der kennt mich , und wer mich nicht kennt, den
will ich mit meiner Person bekannt machen. Ich bin der Sohn
Muhammeds des auserwählten, ich bin der Sohn 'Alis des
begnadigten, ich bin der Sohn Fatima's der hehren, ich bin der
Sohn dessen der die Wallfahrt machte und alle Gebräuche
beobachtete, ich bin der Sohn von Zamzam und el-Cafa, ich bin
der Sohn dessen, der den Gang um die Ka'ba und den Lauf
zwischen Marwa und Cafa machte, ich bin der Sohn von Mekka und
Mina , ich bin der Sohn des Apostels mit der frohen Botschaft,
ich bin der Sohn dessen der zu Gott rief mit seiner Erlaubnis,
ich bin der Sohn der glänzenden Leuchte, ich bin der Sohn
dessen (Sure 53, 8. 9) der sich näherte und so nahe kam, dass
die Entfernung zwei Bogen betrug oder noch näher, ich bin der
Sohn Chadi'ga's der älteren, ich bin der Sohn des bei Kerbela
hingestreckten, ich bin der Sohn dessen, dem der Kopf vom
Genick getrennt wurde , ich bin der Sohn des Durstenden bis er
vollendet hatte. Ihr versammelten Leute! Gott hat unsere Liebe
geheiligt , indem er in der Offenbarung an seinen Propheten
Muhammed sagt (Sure 42, 22): «Sprich, ich verlange von euch
dafür keinen Lohn als die Liebe zu den Verwandten«. Wir sind
die wahren Verwandten, in Bezug auf uns sind die Verse
offenbart, wir sind die Regenten der Welt, durch uns hat Gott
den Anfang, durch uns den Schluss gemacht. Gott hat uns durch
fünf Eigenschaften ausgezeichnet: Tapferkeit, Freigebigkeit,
Beschützung, Kenntnis des Koran und Liebe im Herzen der
Gläubigen. — Hier unterbrach ihn der Gebetausrufer und am
Schlüsse von dessen Worten, »ich bekenne, dass Muhammed der
Gesandte Gottes ist«, sagte 'Ali ben Husein: o Jazid , ist
dieser dein Großvater oder der meine "? Er antwortete: nein,
der deine ; komm herunter ! Da stieg er von der Kanzel herab.
Jazid begab sich nach Hause und sagte: Ich brauche nicht zu
beten; und er hielt an dem Tage das öffentliche Gebet nicht.