Der Tod des Husein ...

Der Tod des Husein ben Ali und die Rache

Ein historischer Roman aus dem Arabischen

Ferdinand Wüstenfeld

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Muslim wird ermordet

Muslim bemerkte in dem Hofraume am Thore einen Becher und Krüge voll Wasser, er hatte seit zwei Tagen nichts gegessen und nichts getrunken und konnte vor Durst kaum atmen; er bat den Thürsteher: lieber Alter! gib mir einen Trunk Wasser zu trinken, wenn ich am Leben bleibe, werde ich dich bezahlen, wenn ich sterbe, wird es der Gottgesandte dir vergelten. Er reichte ihm einen Becher mit Wasser, er nahm ihn und setzte ihn an den Mund, und als die Kälte des Wassers mit der Wärme des Blutes zusammentraf, fielen seine Zähne in den Becher, da wurde das Wasser zu klarem Blute. Er gab nun den Becher zurück und sagte: nimm ihn, ich habe kein Wasser nötig.

Man führte ihn dann zu Obeidallah ben Zijâd und als Muslim dessen Hochmut bemerkte, sagte er: Gegrüßt sei der, welcher den rechten Weg verfolgt und die Vergeltung in jenem Leben fürchtet. Ihn Zijad verzog sein Gesicht ein wenig zum lachen und einer der Kammerherrn sagte: о Muslim, siehst du nicht, dass der Emir über dich lacht ? das geschähe nicht, wenn du gesagt hättest: gegrüßt seiest du, о Emir! Er erwiderte: ich kenne keinen Emir, als meinen Herrn und meine Augenlust Husein ben' Ali; wenn hier dieser mich töten will, so grüsse ich ihn nicht, wenn er es nicht beabsichtigt, werde ich ihm noch öfter meinen Gruß sagen. Jetzt sprach der erbärmliche Ibn Zijâd zu ihm: es ist gleich viel, ob du grüssest oder nicht, denn du wirst noch heute zu Tode gebracht werden. Muslim erwiderte: Wenn dies unvermeidlich ist, so habe ich dir noch einen Wunsch auszusprechen. — Und der wäre ? — Erlaube mir, dass ich einem der Anwesenden meinen letzten Willen mitteile. — Tu, was dir gefällt. — Da erhob sich Amr ben Sa'd und sagte: teile mir deinen letzten Willen mit. — Komm hierher, mein lieber Vetter ! und als er sich ihm näherte, begann er: Mein erster Wunsch ist die Ablegung des Glaubensbekenntnisses: Es ist kein Gott außer Allah, Muhammed ist sein Diener und sein Gesandter und 'Ali der Fürst der Gläubigen, sein Stellvertreter und Nachfolger unter seinem Volke. Der zweite Wunsch ist, dass ihr diesen meinen Panzer verkauft und damit meine Schulden bezahlt, die ich auf 700 Dirhem schätze. Der dritte und wichtigste Wunsch ist, dass ihr an meinen Herrn und Gebieter schreibt, dass, wenn er sich diesem euren Lande nähern würde, ihm ein ähnliches Schicksal bevorstände, wie es mich betroffen hat; denn ich habe ihm geschrieben, dass er kommen möchte, und ich zweifle nicht, dass er es tun wird, dann ist es deine Schuldigkeit, nicht Mitleid mit uns, dass du jemand zu ihm schickst, der ihm Nachricht bringt und ihm deutlich macht, wie es mir ergangen ist und wie ich geendet habe. — Amr ben Sa'd erwiderte: Was das Glaubensbekenntnis betrifft, so ist es das unser aller; was du über den Verkauf deines Panzers und die Bezahlung deiner Schulden erwähnst, so haben wir jetzt ein Näherrecht ; wenn wir wollen, bezahlen wir, und wenn wir wollen, bezahlen wir nicht. In Bezug auf Husein leidet es keinen Zweifel, dass er zu uns kommen wird, dann werden wir ihm den Tod zu kosten geben einen Hals voll nach dem anderen. — Der nichtswürdige wandte sich dann zu Ibn Zijâd und erzählte ihm, was er ihm heimlich anvertraut hatte, da sagte er: Gott vergelte dir deine Schande, da er dich gebeten hat, das Geheimnis zu bewahren; bei Gott! hätte er es mir anvertraut, ich würde es bewahrt und getan haben, was er wünscht; jetzt da du sein Geheimnis verraten und seine Wünsche bekannt gemacht hast, wird niemand ausser dir zum Kriege gegen Husein ausziehen. — Dann befahl er, Muslim ben 'Akiloben auf das Schloss steigen zu lassen und gab einem Manne von Kinda den Auftrag ihm den Kopf abzuschlagen, diesen herabzuwerfen und den Rumpf folgen zu lassen. Muslim bat den Mann, noch zwei Gebete sprechen zu dürfen, dann möge er thun, was ihm gefiele, und als er erklärte, dazu keine Erlaubnis zu haben, fing Muslim an zu weinen und sprach:

Gott vergelte für uns an unserem Volke mit der schlimmsten Vergeltung,
mit schlechten Untertanen, ja die noch unfolgsamer und ungerechter sind! Sie haben uns unser Recht verwehrt und uns bekriegt,
und sie streben dahin, dass wir gedemütigt und gezwungen werden. Sie fallen über uns her um unser Blut zu vergießen,
und nehmen keine Rücksicht auf Schutzbündnis und Blutsverwandtschaft. Wir sind die Söhne des Auserwählten, kein Verbündeter ist uns gleich,
die Zuflucht des nächtlichen Wandrers, wenn seine Hilfsmittel vernichtet sind.

Als er mit seinem Gedichte zu Ende war, rief Amr ben Sa'd : Wie lange willst du noch zögern? lass ihn den Weg des Verderbens antreten. Da wurde ihm der Kopf abgeschlagen und von der Höhe des Schlosses hinabgeworfen und der Rumpf hinterher. Hierauf wurde Hânî ben 'Orwa herbeigeholt, nach dem Platze, wo das Vieh verkauft wird, führt und ihm der Kopf abgeschlagen. Als die Verse, welche Muslim gesprochen hatte, zu den Madshi'g kamen, erhoben sie sich bis auf den letzten Mann und richteten drei Tage lang ein entsetzliches Blutbad an. Die Omeijaden zogen die Leichen des Hânî und Muslim durch die Strassen, die Madshi'g kamen herbei, nahmen sie weg, wuschen sie, zogen ihnen Totenkleider an, hielten das Gebet für sie und begruben sie in der Moschee von Kufa. Darauf bezieht sich das Gedicht des Abdallah ben el-Zabir oder des Farazdak:

Wenn du (Frau) nicht wissen solltest, was der Tod ist, so sieh nach Hani auf dem Markte und nach Ibn 'Akîl hin,
Nach dem Helden, dem das Schwert das Gesicht gespalten hat, und nach dem anderen, welcher getötet von der Mauer herabgestürzt wurde.
Beide traf der Befehl des Emir, da wurden sie zum Gespräch für die, welche auf allen Strassen umherlaufen.
Du siehst einen Leichnam, dessen Farbe der Tod schon verändert hat, und einen mit Blut bespritzten, welches in beliebigem Fluss herabfließt.
Einen Mann, züchtiger als eine züchtige Jungfrau, und durchschlagender als ein zweischneidiges blankes Schwert.
Reitet wohl Asmâ eines der willigen Rosse sicher, wenn ihn die Madshi'g verfolgen um Rache zu nehmen?
Wenn ihr für euren Bruder die Rache nicht nehmen wollt, so seid Strauße, die mit dem Stricke festgebunden werden.

Als dies die Madshi'g hörten, sagten sie: der Fall mit Asmâ ben Châri'ga war für uns wichtiger, als der mit unserem Anführer Hânî ben 'Orwa, und wenn wir sein Blut rächen wollten, so würden wir Muhammed ben el-Asch'ath nehmen; indes es ist auf Befehl des Sultans geschehen. — Es wird erzählt, dass Ihn Zijâd, als er Muslim und Hâni hatte umbringen lassen, ihre Köpfe an Jazid ben Mu'awija geschickt habe durch Hânî ben Abu Hajja el-Wadâ'i und el-Zubeir ben el-Arwah el-Tamimi ; er befahl seinem Sekretär Omar ben el-Anfa' an Jazid einen Bericht zu machen und ihn wissen zu lassen, was für eine Bewandtnis es mit Muslim und Hânî ben 'Orwa habe. Er schrieb also einen ausführlichen Bericht, indes Ibn Zijâd war, als er ihn sah, damit nicht zufrieden und sagte: wozu diese Weitläufigkeit? schreib: Gelobt sei Gott, welcher dem Fürsten der Gläubigen seine Macht hat zu Teil werden lassen und ihm gegen seine Feinde ein genügender Schutz gewesen ist. Ich habe zu melden, dass Muslim ben 'Akîl nach Kufa gekommen und in dem Hause des Hânî ben 'Orwa el-Murâdi abgestiegen war; ich habe die Augen auf sie gerichtet und sie überlistet, bis ich sie habe vorführen und ihnen die Köpfe habe abschlagen lassen. Ich schicke dir ihre beiden Köpfe durch Hâni ben Abu Hajja und el-Zubeir ben el-Arwah el-Tamimi, ein Paar zuverlässige und gehorsame Männer, frage sie nach dem, was du zu wissen wünschest, sie sind unterrichtet und aufrichtig. — Als Jazid den Brief erhielt, war er darüber aufs höchste erfreut lind schrieb ihm als Antwort: Du hast so, wie ich es liebe, umsichtig und entschlossen gehandelt, hast auf den beherzten Löwen einen kühnen Angriff gemacht, du hast deine Pflicht zur Genüge erfüllt und meine Ansicht und Meinung, die ich von dir hatte, gerechtfertigt. Ich habe auch deine beiden Abgeordneten rufen lassen und sie über die näheren Umstände gefragt und ich habe beide so gefunden, wie du sie geschildert hast^ lass sie deinem ferneren Wohlwollen empfohlen sein. Nun ist mir gemeldet, dass Husein ben 'Ali gegen 'Irak heranmarschiere, stelle die Kundschafter gegen ihn aus und suche ihn am Vormarsch zu hindern und schreibe mir jeden Morgen, was fallen ist.

Muhammed ben el-Asch'ath hatte das Schwert, den Panzer und das Panzerhemd des Muslim ben 'Akil an sich genommen und darüber sprach Abdallah ben Omar die Verse :

Und du hast Muslim verlassen ohne für ihn zu kämpfen, aus Furcht vor dem Tode, wenn du hingestreckt würdest.
Und du hast getötet den Abgesandten der Hausgenossen Muhammeds und hast ihm Schwert und Panzer als Beute abgenommen.
Wenn du Gott gefürchtet hättest, dessen Strafe brennt, würdest du Ahmed in jenem Leben als Vermittler haben.

[ B . Der Auszug des Muslim ben 'Akil (von Mekka) nach Kufa war Dienstag den 8. Schawwâl des J. 60 und er wurde ermordet woch den 9. Dsul-Hi'g'ga d. i. am Tage des Festes auf dem 'Arafa, und Husein ben 'Alf brach von Mekka nach 'Irak auf am Tage (vor) der Ermordung des Muslim ben 'Akil in Kufa d. i. am Tage Tarwia, dem er in Mekka den Rest des Scha'bân, den Ramadhân, Schawwâl, Dsul - Ca'da und acht Tage des Dsul-Hi'g'ga sich aufgehalten hatte. Während der Zeit seines Aufenthaltes in Mekka hatte sich eine Anzahl von Bewohnern aus Hi'gâz, Kufa und Baçra bei ihm versammelt und sich mit seinen Hausgenossen und Dienern vereinigt.]

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