Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Nizâmî

Aus dem Alexanderbuch

I.
Gebet

O Herr, dem die Herrschaft der Welt angehört,
Und dem mein Gemüt hier Gehorsam beschwört,
Du schirmst, was erhöht ist, du schirmst, was gering,
Das Weltall, es ist nicht, du bist jedes Ding,
Es zeigt uns die Schöpfung, was hoch ist und tief,
Du bist's, dessen Allmacht hervor alles rief,
Du Allwisser bist's, der, was Nacht ist, erhellt.
Dein Kiel ist die Weisheit, dein Schreibbuch die Welt.
Dem Zeugnisse, daß du der Wahrhaft'ge seist,
Verlieh schon am Anfang Beweiskraft der Geist.
Den Geist hast du lichtvoll zum Blitz uns gemacht,
Die Welt für den Anfang zum Sitz uns gemacht.
O du, der den Sternenhimmel anzündetest,
Die Erd' uns als Herberge bloß gründetest,
Ein Tröpflein erschufst du zum Meerwasserschwall,
Den kostbar'n Juwel bildet dein Sonnenball.

Platen.

II.
Das Eldorado.

Auf seinen Zügen kommt Alexander der Große zuletzt in eine paradiesische Gegend, welche ihm einer der Bewohner folgendermaßen beschreibt:

Da du nach unserer Lage dich erkundigst,
So wollen wir, o König, alles künden.
Vernimm die Wahrheit: Unser Volksstamm, welcher
In diesen Bergen wohnt und diesen Thälern,
Ein sanft Geschlecht ist, fromm in seinem Glauben
Und keine Haarbreit von dem Rechten weichend.
Kein Mißlaut stört den Gleichklang unsres Handelns,
Harmonisch stimmen alle unsre Thaten.
Verkehrtheit tilgen wir aus unserm Kreise,
Ergaben uns der Herrschaft wahren Rechtes,
In keinem Fall entfährt ein Lügenwort uns,
Drum schrecken nachts uns keine bösen Träume.
Wir stellen keine Fragen, die nicht frommen,
Denn eitles Fragen ist vor Gott ein Greuel.
Was Gott uns zuschickt, nehmen wir entgegen,
Denn widerstreben hieße Gott versuchen;
Nicht stemmen wir uns gegen seine Fügung,
Wie käme Widerstand zu Gottesfürcht'gen?
Beugt Elend den Genossen, leihn wir Beistand
Und eigne Not ertragen wir geduldig.
Ist irgend wer durch uns geschädigt worden,
Und dieser Unbill Kunde uns zu Ohr kömmt,
So öffnen freudig wir des Beutels Mündung,
Um reichlich jeden Abgang zu ersetzen.
Begüterter ist keiner als der andre,
Zu gleichen Teilen alle wir besitzen.
Wir sehn uns alle an als Gleichgestellte,
Drum lächeln niemals wir beim Jammer andrer.
Nicht kennen Furcht vor Dieben wir, drum giebt es
Nicht städt'sche Wache, nicht im Felde Hüter.
Da nichts wir andern, Fremden je entwenden,
Sind auch vor Diebstahl Fremder wir gesichert;
Nicht schützet Schloß und Riegel uns die Häuser
Und frei die Herden ohne Hirten weiden.
Gott würdigt uns Geringe seines Schutzes,
Hält fern von uns des Wolfs, des Löwen Tücken;
Und wagt der Wolf ein Lämmchen anzuschnauben,
Der Untergang träf' ihn zur selben Stunde.
Wenn jemand eine Ähre unsrer Saat nimmt,
Fühlt einen Pfeil er unversehns im Herzen.
Das Saatkorn streuen wir in unsre Äcker,
Der Saat Gedeihn dem Höchsten überlassend.
Einmal gesät, bekümmert uns das Korn nicht,
Als wann nach sechs der Monde naht die Ernte;
Dem Ewigen allein liegt unsre Hut ob,
Auf ihn vertrauen wir und sonst auf keinen.
Nicht fand bei uns Verleumdung eine Stätte,
Vor andrer Fehler schließen wir die Augen.
Wünscht jemand einer Streitigkeit Entscheidung,
So suchen wir im Ausgleich sie zu schlichten.
Auf schlechte Bahn wir niemanden verleiten,
Wir meiden Aufruhr, scheuen Blutvergießen.
Wir fühlen jeder mit dem Gram des andern
Und nehmen wieder Teil an seiner Freude.
Des Goldes, Silbers trügerischer Schimmer
Bei keinem unter uns Beachtung findet.
Wir thun einander nicht das kleinste Leid an,
Kein Sandkorn eignen wir uns an gewaltsam.
Nicht scheu vor uns des Feldes Tiere fliehen,
Auch rührt sich keine Hand, sie zu verletzen.
Treibt sie die Not, so kommen Reh und Steinbock
Und treten mit Vertrau'n in unsre Thüren,
Wenn wir auf sie zu jagen sind genötigt,
Erlegen wir nach unsrer Notdurft Maßstab;
Sonst, wenn der Jagd wir nicht mehr sind bedürftig,
Gestatten dem Gewild wir Feld und Fluren,
Wir essen nicht, wie Ochs und Esel, maßlos,
Und schließen auch die Lippe vor Genuß nicht;
Von Speis' und Trank ein solches Maß wir nehmen,
Daß noch einmal so viel wir nehmen könnten.
Nicht stirbt bei uns der Mutter weg ein Jüngling,
Ein jeder hochbetagt beschließt sein Leben.
Wenn jemand stirbt, wird uns das Herz nicht bange,
Denn kein Erfolg entsprösse unserm Schmerze,
Wir sagen hinter niemand's Rücken etwas,
Was ins Gesicht wir ihm nicht sagen könnten.
Wir spüren niemals nach dem Thun des andern,
Erheben kein Geschrei, wenn er gefehlt hat.
Mag gut, mag schlecht uns das Geschick begegnen,
Wir weichen niemals ab von diesen Regeln,
Was immer Gott vollkommen hat erschaffen,
Wir fragen nie: was ist das, woher kömmt dies?
Ein jeder kann in unsrer Mitte weilen,
Der rein und sittenstreng gleich uns will leben;
Sowie jedoch er unsre Sitt' verletzt hat,
Wird schleunigst er verbannt aus unsren Grenzen.

Bacher.

Sprüche

1.

Gerätst du in die Mitte zweier Feinde,
Mach, daß sie zankend auseinandergehen.
Hetz' auf den Wolf den Tiger dir zum Heile,
Aus zweier Steine Reibung ziehst das Mehl du.

2.

Schatzkammern legt man an des Goldes halber,
Das Gold, am besten legt's man an beim Feinde;
Mit süßer Lockung kommt der Fuchs zufalle,
Für Leckerbissen giebt das Kind den Ring hin.

3.

Nicht schmück' dich selber, wie die Blum' im Garten,
In andrer Händen laß die Lampe schimmern!
Ein dünkelhafter Mager sprach zum Feuer:
Was giebt es bessers als wir zwei hienieden?
Das Feuer sagte: Willst du's recht erwägen,
Müßt man verbrennen dich und mich verlöschen.

4.

Die Treue ist dir mitgeborne Tugend,
Laß nicht die Gabe, die von Anfang dein ward.

5.

Nur deshalb ist die Muschel starr wie Knochen,
Weil geizig sie der Perle Mark verschließet.

6.

Warum, um nur des Bauches Lust zu stillen,
Nach allen Seiten ruh- und rastlos jagen?
Die Wüste und den Ocean durchschneiden,
Wo nichts am Ziele winkt, als – Brot zu essen!
Die Strebenden, die mit Verstand begabt sind,
Was suchen anders sie als schließlich Ruhe?
Die ganze Welt durchschreiten ihre Füße,
Daß sie zuletzt den Fuß zum Ruhsitz lenken.
Der Einsichtsvolle weiß, daß die da reisen,
Die Stillesitzer immer glücklich preisen.
Die Sicherheit weilt nur im Land der Ruhe
Und außer seinen Grenzen – stete Mühsal!

7.

Hältst eine Speise du zuhaus verborgen,
In siebzig Häuser bald ihr übler Duft dringt;
Doch schickst davon du rings den Nachbarn allen,
Wird dir des Ruhmes Moschusduft zuteile.

8.

Ein Diener süßer Rede, wenn auch lieblos,
Ist besser als ein liebevoller Dummkopf;
Die Liebe ziemt's mit schönem Wort zu zeigen,
Was nützt die Neigung mir, die schlecht sich ausdrückt?

W. Bacher

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