Hariris Vorwort
So spricht der Scheich, der Preiswürdige, Einzige, Abu
Mohammed Elkasem, Ben Ali, Ben Mohammed, Ben Othman, Hariri
von Basra (Gott kühle seine Ruhestätte!):
Gott. Dir danken wir, wie für jede Habe,
also auch für die Redegabe;
wie für des Hauses Ausgang und Eingang,
so für des Geistes Ausklang und Einklang,
und wie für des Kleides An- und Ablegung,
so für des Sinnes Ein- und Auslegung.
Wir danken dir, wie für Tränkung und Speisung,
so für Lenkung und Unterweisung,
zu Zweck-Bedenkung und Kunst-Befleißung.
Wir flüchten zu dir vor des Sprechens Überfluss,
wie vor des Hörens Überdruss;
vor der Worte schädlichem Wucher
und dem Witz, dem Versucher,
wie vor dem Mangel an Sammlung
und der Zunge schmählicher Stammlung
in erleuchteter Versammlung.
Behüt' uns vor unbeholfener Unmündigkeit
und unbesonnener Unbündigkeit,
Zeit und Orts Unkündigkeit;
lass uns vermeiden die Schlappheit und die Steifigkeit,
die Knappheit und die Weitschweifigkeit,
die Leere und die Seichte,
das Überschwere und das Allzuleichte.
Lenke, wie unsern Schritt,
auch unseres Schreibekieles Tritt,
dass er nicht walle die Irrbahn
und nicht falle in Wirrwahn;
lass uns übers Ziel nicht ausschreiten
und im Spiel nicht ausgleiten,
unsere Knoten nicht verschürzen,
unsere Schüsseln nicht verwürzen
und durch Länge unsern Zweck nicht verkürzen,
Lob zu erlangen und Stunden zu kürzen.
Bewahr uns vor denen, die loben,
eh sie unsern Wert erproben,
wie vor denen, die schelten,
eh sie wissen, was wir gelten.
Schütz uns vor der Gönner
Überschätzung,
wie vor der Missgönner Heruntersetzung;
vor
der stolpernden Stelze der Stolzen,
wie vor der Witzbolde
stumpfen Bolzen.
Und lass uns, ohn' Anstoß und Anstand,
hinwandeln mit Anmut und Anstand
die Bahn, die zu wandeln
uns anstand,
mit ruhiger Gelassenheit,
ohne
Ausgelassenheit,
mit gewandter Fertigkeit,
ohne
Eilfertigkeit.
Gib uns Einsicht und Umsicht,
dass wir
erreichen die Absicht,
und lass uns auftreten mit Vorsicht,
dass uns zu teil werde Nachsicht.
Gib, dass wir nicht durch
Reden vergiften,
noch Unheil stiften durch Schriften,
durch Worte deinem Wort nicht schaden,
noch Verantwortung
uns aufladen.
Doch lass uns trotzen den Vorurteilen
und dem
Verurteilen vor dem Urteilen.
Lass uns treiben mit Verstand
Prosaspiel und Vers-Tand,
und handhaben sauber
den
erlaubten Redezauber.
Unsrer Dichtung Schmuck sei die
Wahrheit
unser Ausdruck die Klarheit,
und die Begeisterung
die Treibefeder
unsrer Schreibefeder.
Um das bitten wir dich bei deinen hundert Namen
und
bei allen Boten, die von dir kamen,
bei ihrem letzten und
größten,
dessen Vertretung wir uns getrösten
der mit
deinem Wort zum Welt-Heile
ist gesandt an die Weltteile;
der im Himmel genannt wird Ahmed,
aber auf Erden Mohammed
und unter der Erde Mahmud.
Segne ihn und seiner Flucht
Gefährten
und seine Helfer, die bewährten,
seinen Stamm,
den werten, verehrten,
die ganze Gemeinde der Muselmanen
und alle, die gehn auf rechten Bahnen.
Denn du bist der
Allwaltende,
Uralte, niemals Altende.
Allschaffende,
Allerhaltende,
der alles mit Lieb' Umfaltende,
und alles,
dir zum Preis, Gestaltende.
Nun denn! In vormaligen geselligen Zünften
und
gebildeten Zusammenkünften,
deren Leuchte jetzt verglommen
ist,
und deren Welle den Strom hinabgeschwommen ist,
hörte
man sonst den Namen
und den Ruhm der Makamen,
die
aufgezeichnet hatte der
Bedi elseman,
der Ausgezeichnete von Hamedan, (ihm gnade Gott!)
(Der Dichter Abulfadhl Ahmed, Hamedani, d. i. aus der Stadt Hamedan,
gestorben ungefähr hundert Jahre eher als Hariri, der
Vorgänger Hariris, und Erfinder oder erster Ausbilder dieser
Dichtungsart)
worin er die Geschichte des Ebulfeth
Iskenderi zum Grund gelegt
(Der Held der Hamedanischen Makamen, wie
Abu Seid der Haririschen)
und die Erzählung davon dem Isa Ben
Hescham in den Mund gelegt
(Der Erzähler der Geschichten, wie bei Hariri
der Hareth Ben Hemmam. Man sieht hieraus, wie der äußere
Zuschnitt beider Werke vollkommen derselbe ist)
zwei Personen, die nunmehr sind
unbekannt
und ungenannt.
Mir aber winkte einer, dessen
Wink Befehl ist,
(Es soll der Wesier eines
abbassidischen Kalifen gewesen sein)
und dem zu gehorchen die Wohlthat der Seel' ist,
Makamen zu verfassen nach dem Vorbild des Bedi,
wenn auch
ein Flinker von einem Hinker erreicht wird nie.
Da wandt'
ich ein, was man sagt von der Gefahr des Schreibens
und dem
Vorteil des Zuhausebleibens;
dass, wer einen Vers will
dichten,
sich von Tausenden muss lassen richten,
und dass,
wer viel bringt, nicht alles kann sichten;
dass er nicht
immer den Honig von Wachs kann läutern,
noch die Nessel
sondern aus den Würzekräutern;
gleich dem Viehhirten, der
melkt aus kleinen und großen Eutern,
gleich dem Heerführer,
der kommt mit Fußgängern und Reitern.
Wer sich auf den Markt
stellt, der sei gefasst, dass man prüfe
seines Wuchses
Gradheit und Schiefe,
seines Wassers Seichtheit und Tiefe.
So lange man schweigt, kann man für weise gelten,
aber wenn
man spricht, ist's lauter Weisheit selten.
Unter vielen
Worten ist manch vergebliches,
unter vielen Gestirnen manch
nebliges.
Doch jener wollte der Einwendung nicht
nachgeben,
noch des Unternehmens mich überheben.
Da stand
ich, zu seiner Huldigung,
ab von meiner Entschuldigung,
und zum starken Geschäfte
bot ich auf meine schwachen
Kräfte,
entwerfend, nach meiner Quelladern Sprödigkeit
und
meiner Einsichten Blödigkeit,
nach meines geistigen
Vermögens Beschränktheit
und meiner von Sorgen Gekränktheit,
einige und vierzig Makamen, gewebt aus Ernst und Scherz,
gegossen aus Gold und anderem Erz,
gedichtet aus dünnen
Fäden und dichten,
geschichtet aus bunten und lockern
Geschichten,
voll mannigfaltiger Ereignisse
und
unvergleichlicher Gleichnisse;
versehn mit Anspielungen und
Beispielen,
die überall herbeispielen,
und geschmückt mit
Spielwörtern und Wortspielen,
die in einem fort spielen;
besetzt mit den Edelsteinen des Ausdrucks,
gestickt mit den
Perlen des Gedankenausschmucks,
bereichert mit Rätseln und
Sprichwörtern,
Redespitzen und Stichwörtern,
Schriftstellen und Gemeinplätzen
und besondern
Sprachschätzen,
abwechselnd mit muntern Ausbrüchen
und
feierlichen Aussprüchen,
mit Possen der Vertraulichkeit
und Glossen der Erbaulichkeit,
mit Witzreden, welche lachen,
und Strafreden, die weinen machen.
All das hab' ich auf
die Person des Abu Seid von Serug gedichtet
und es durch den
Mund des Hareth Ben Hemmam von Basra berichtet;
und habe
mich unterzogen all dieser Mühe,
nur dass daraus dem Leser
Lust und Belehrung erblühe,
und dass es dem Hörer diene zur
Erheiterung
und zu seiner Kenntnis Erweiterung.
Ich habe
mich in den Versen, den beigegebnen,
nicht halten wollen auf
dem Weg, dem gar zu ebnen;
habe nicht wollen von fremdem
Schatze borgen,
sondern meinen ganzen Haushalt selbst
versorgen.
So sind denn alle Lieder, Mageres und Feistes,
die eingefleischten Kinder meines Geistes;
und ich tische
hier nichts auf, als
mein eigenes Salz
und mein eigenes
Schmalz,
mein Süßes und mein Saueres ebenfalls.
Bei dem
allen bekenn' ich, dass der von Hamedan
bleibt mein
Vortreter auf der Bahn,
der den Vorsprung gewonnen habende
Reiter,
dem nicht nach und nicht nah kommt sein
Nachschreiter;
und dass, wer nach ihm noch was tun will im
Feld der Makame,
und hält' er auch die Beredsamkeit des
Kodame,
(Der Name eines berühmten Redners)
immer nur wird schöpfen von seiner Neige
und sich
halten müssen auf seinem Steige.
Göttlich hat der Dichter
gesagt:
Und was mich betrübt, ist, dass ich tief Schlummer
atmend lag,
Als hold ihr Geseufz anhob die Turtel im Laube.
Denn hätt' ich geseufzt vor ihr um Soda,
(Ein
weiblicher Name, die Geliebte.)
so hätt' ich wohl
Geheilt diesen Gram, dem jetzt mein Herz bleibt zum
Raube.
Doch erst seufzte sie, dann ich, und ihr Seufzen weckte
meins;
Ich sprech': O der Nachahmung! der Preis bleibt der
Taube.
Nun hoffe ich, dass ich mit den Scherzen, die ich
ersonnen,
und mit den Fäden der Unterhaltung, die ich
gesponnen,
nicht sein möge wie der Hörnerträger auf der Aue,
der seinen Tod aufscharrte mit seiner Klaue;
(Ein
Sprichwort, das folgende Erklärung hat: Ein Feldaraber fand
einen Widder in der Wüste, den nahm er und hatte Lust, ihn zu
schlachten; aber er hatte kein Messer bei sich. Da wühlte der
Widder, sich sträubend, mit seinen Füßen den Boden auf, und es
kam ein Messer hervor, damit schlachtete ihn der Araber).
noch den Verlorenen beigezählt,
denen die Gnade Gottes
fehlt,
deren Mühe vergebens ist und eitel ihr Fleiß
und
umsonst ihr Schweiß;
sie glauben es wohl gemacht zu haben,
doch ihre Arbeit wird mit ihnen begraben.
Aber wenn auch die
Verständigen nicht erbarmlos
richten werden, was ich
gedichtet harmlos,
und die Günstigen werden lieben und
loben,
was ich geschrieben und gewoben; so werden doch die
Misswollenden, Grollenden,
die nicht Sehenden, und die nicht
sehen Wollenden
geringschätzig blicken auf diese Sachen
und sich zwingen, an keiner Stelle zu lachen.
Ihr sei der
Schaden, den sie sich selbst zufügen,
dass sie sich um ihren
Part betrügen
an dem von uns aller Welt zugedachten
Vergnügen.