Mohammed
Mohammed - Roman eines Propheten (Klabund)

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1917 n.Chr.

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Es wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Autor Historisches mit Märchen vermischt hat, so dass der Inhalt nicht authentisch ist. Er hilft aber das Verständnis der Zeit über Islam nachzuvollziehen.

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Aussätzige

Mohammed ließ am Bache rasten.

Kaum war er aus dem Sattel gestiegen und hatte Aischa und Maria von ihren Kamelen gehoben, als eine Schar Aussätziger, schmutzig und schreiend, aus den Wein- und Aprikosengärten vom Berge Koba herniederbrach: wie Schlangen oft aus Blütenbüschen züngeln.

Die Leute von Medina pflegten ihre Kranken auf den Berg Koba zu schaffen, wo eine reine heilsame Luft wehte und die Natur sie selbst ernährte.

»He, mein Freund,« krächzte der Anführer der Aussätzigen, der sich an zwei Ästen als Krücken, wie ein Marabu hüpfend, fortbewegte: sein linkes Bein war nur mehr ein grüner Stumpf und von weißen Maden zerfressen – und »wenn du ein Prophet bist, so beweise es dadurch, daß du ein Wunder tust: an uns, den elendesten und erbärmlichsten der Geschöpfe. Wir sind an Felsen geschmiedet gleich dem griechischen Gott, und Adler und Raben, Würmer und Ratten fressen uns bei lebendigem Leibe ... Hilf uns, Mohammed, und wir wollen dir glauben!«

Der Alte schwenkte flehend seine Krücke.

Und wie im eingeübten Chorgesang wiederholte blökend die Herde der Unreinen und Aussätzigen:

»Hilf uns, Mohammed, und wir wollen dir glauben!«

Ein leeres Auge glotzte wie ein Kiesel zum Himmel. Beinstümpfe bebten.

Eitrige Leiber krampften sich im blöden Gelächter. Auf blutenden Stirnen sammelten sich graue Wolken von Fliegen. Verfaulter Atem verpestete die Luft: unruhig scharrten Kamele und Pferde den Boden.

Aus Beulen tropfte bräunliche Flüssigkeit ins Gras, das alsobald verdorrte. Wangen klafften auseinander, und in die offene Mundhöhle kroch, eine silberne Schlange, die Sonne.

Entsetzt wichen die Moslems zurück, feindselig eine Wand von Blicken zwischen sich und den Aussätzigen aufrichtend. J*

Mohammed trat in den Kreis der Aussätzigen, der sich trillernd und quakend hinter ihm schloß.

Er warf das Haupt in den Himmel: »Herr, schenk mir ein Wunder! Ich möchte fürder nicht gehen, wenn diese humpeln, ich möchte nicht rein atmen, wenn diese verfaulten Lungen ächzen, nicht blicken, wenn sie mit erblindeten Gesten in die Räume tasten. Vergib mir, Herr, wie ich dir vergebe, und glaube mir, so will ich wieder an dich glauben! Es ist so viel des Elends, daß ich fast verzage...«

Da die Aussätzigen das Licht auf Mohammeds Stirn sahen, fielen sie anbetend zur Erde.

Mohammed berührte jeden mit seinem Stabe und sagte selig:

»Sei geheilt!«

Da entsprang der erste und war ein langohriger brauner Hase. Der zweite schrumpfte zur winzigen Maus zusammen und suchte sich piepsend ein Loch. Der dritte schwang sich als gläserne Libelle in die Lüfte. Der vierte wieherte und war ein Pferd, das den Genossen sich gesellte. Der fünfte war ein Feuersalamander, der zwischen den Steinen schillernd dahinschoß. Der sechste fand sich brav als Esel wieder, der siebente lockte als Tauber gurrend sein Weibchen. Und jeder war ein Tier, war gut und glücklich...

Als Mohammed zu den Gefährten zurückkehrte, da schien es ihnen allen, als hätten sie geträumt.

Die Wand der Blicke war gefallen.

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