Mohammed
Mohammed - Roman eines Propheten (Klabund)

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1917 n.Chr.

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Es wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Autor Historisches mit Märchen vermischt hat, so dass der Inhalt nicht authentisch ist. Er hilft aber das Verständnis der Zeit über Islam nachzuvollziehen.

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Bahirah

In Syrien lebte ein Mönch namens Bahirah in einer Einsiedelei inmitten eines Gehölzes. Er hatte ehemals seine Hütte unter einem Baum, nicht weit von der großen Karawanenstraße, errichtet. Es war aber nach und nach ein ganzer Wald um seine Behausung aufgeschossen, der sie vor den Blicken und Besuchen neugieriger Schnüffler verbarg. Er war ein Christ und mit christlichen Sitten und Gebräuchen wohlvertraut. In seiner Hütte verwahrte er an einer eisernen Kette ein heiliges Buch, zu dem die Mönche und Schriftgelehrten von weither pilgerten. Das Buch aber hatte ihm prophezeit, er werde den Gesandten Gottes erblicken und in den Armen halten an dem Morgen, an dem er es nicht werde berühren können. Und der Gesandte Gottes werde eine Narbe über dem Herzen haben: die Narbe, da Gott ihm sein menschliches Herz aus der Brust geschnitten und ihm ein englisches eingesetzt habe an seiner Statt. Jahrelang hielt Bahirah Ausschau nach dem Gesandten Gottes und bereitete sich auf ihn vor mit Gebeten und Kasteiungen.

Eines Morgens, als er den Tag wie gewöhnlich mit einem Gebete aus dem heiligen Buch eröffnen wollte, sah er, daß das heilige Buch vollkommen eingesponnen war. Auf dem grünen Gespinst aber hockte eine große giftige Spinne, das Zeichen Luzifers auf der Stirn.

Kaum hatte Bahirah sich von seinem Schreck erholt, als Getrappel von Pferden und Kamelen auf der Landstraße vernehmlich wurde.

Bahirah stürzte sich auf die Straße und warf sich der Karawane entgegen, die Arme weit gebreitet. Er fiel dem vordersten Reiter in die Zügel und schrie: »Ich lasse Euch nicht, Ihr tut mir denn die Ehre und seid für heute meine Gäste. Der Gesandte Gottes weilt unter Euch, ich will ihm huldigen.«

Seinen weißen Bart zauste der Wüstenwind. Seine Augen brannten.

Die Kureischiten lächelten, und ihr Anführer, Abu Talib, der Oheim Mohammeds, sprach: »Ehrwürdiger Vater, wir wollen Euch gern das Vergnügen machen, uns zu bewirten. Aber den Gesandten Gottes, von dem Ihr spracht, führen wir nicht bei uns, erinnern uns auch nicht, von einem solchen gehört zu haben.«

Die Karawane sattelte ab. Mit Hilfe seiner Jünger richtete Bahirah unter einem Baume ein Mahl her: Lammfleisch, Brot und Milch, und lud sie alle ein, jung und alt, Sklaven und Freie.

Als sie bei Tisch saßen, musterte Bahirah seine Gäste der Reihe nach mit gütigen Augen und sprach: »Kureischiten, es darf keiner, auch der Geringste nicht, zurückbleiben. Ich habe Euch alle eingeladen; fehlt auch niemand in der Runde?«

Die Kureischiten lächelten, und Abu Talib sprach:

»Wir sind alle hier versammelt. Ein Knabe nur, mein Neffe, blieb im Lager, um auf die Tiere acht zu haben.«

Da sprang Bahirah auf und schrie: »Holt mir den Knaben!« Zwei Sklaven brachten Mohammed, der unbefangen auf den Mönch zutrat und sich tief vor ihm verneigte, die Arme über die Brust gekreuzt.

Als er die Verbeugung vollendet hatte und die Arme seitwärts fallen ließ, erkannte Bahirah auf dem nackten Oberkörper unter dem Herzen die Wunde, das Mal des Prophetentums. Bahirah aber gedachte ihn zu versuchen und sprach:

»Schwör« mir bei Lat und Uzza, Knabe, ob du wahre Träume hast!«

Der Knabe schüttelte den dunkeln Kopf, und eine Gebärde des Ekels erschütterte seine Züge. »Ich glaube nicht an Lat und Uzza, die Götzen der Kureischiten. Jeder Eid, der bei ihnen geschworen wird, ist ein Meineid.«

»Woran glaubst du sonst, Knabe, wenn nicht an die Götter deines Volkes?«

»Die Götzen meines Volkes sind tönerne Götzen. Ich kann sie mit meinem Stecken zerschlagen.«

»Und woran glaubst du, Knabe?«

Der Knabe hob den Kopf. Den linken Arm schön um eine Bambusstaude geschlungen, sprach er leise:

»An mich.«

Bahirah kreuzte die Arme und neigte sich vor dem Knaben, wie der Knabe soeben vor ihm. Dann führte er ihn in das Haus, das heilige Buch ihm zu zeigen.

Da sah er wieder das grüne Gespinst und auf dem Gespinst die giftige Spinne. Sie zischte wie eine Schlange, als Mohammed ihr nahekam.

Er aber packte sie mit der Faust, warf sie auf den Boden und zertrat sie mit bloßer Sohle.

Er riß das Gespinst auseinander, schlug das Buch auf, und ob er gleich zuvor niemals gelesen und keiner Buchstaben kundig war, las er:

»Gelobt sei Gott, der Herr der tausend Welten. Der Allerbärmer. Der König der Richter und der Richter der Könige. Ihm dienen wir, so dient er uns. Er leite uns den geraden Weg: den Weg der Gnade und der Güte. Des Willens und der Weisung. Es ist nur ein Gott, ihn zeugte niemand, er zeuget niemanden, es ist nur ein Gott, und Mohammed ist sein Prophet ...«

Des Abends, als die Kureischiten sich zum Aufbruch rüsteten, nahm Bahirah Abu Talib beiseite:

»Wisse, daß Ihr den Gesandten Gottes unter Euch habt. Meine alten Augen sind selig, da sie ihn noch gesehen, meine dürre Lippe lobpreist seine kindliche Gottheit.«

Abu Talib lächelte verzeihend:

»Wer ist es, den Ihr meint, ehrwürdiger Vater?«

Der Greis verneigte sich:

»Es ist Mohammed, Euer Neffe.«

Abu Talib lachte:

»Märchenerzähler!« und schwang sich aufs Pferd. »Die Kureischiten handeln mit Edelsteinen und Seidenstoffen, aber nicht mit Göttern. Mohammed ist ein Kaufmann.«

Der Alte ballte die Faust. Er bellte:

»Er wird Euch Euren Unglauben mit rechter Münze heimzahlen!«

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