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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Hira
Im Monat Dsu-l-kaadeh bestieg Mohammed zum zweitenmal das
Gebirge Hira.
Als Mohammed vom Hira kam, umschritt er siebenmal die
Kaaba, dann blieb er in der Mittagssonne stehn, steil wie ein
Standbild, und kein Tropfen Schweiß trat auf seine Stirn. Er
schickte aber Maria, die Koptin, seine Geliebte, die von
zarten Sitten war, durch die Stadt. Glücklich gehorchte sie
seinen Befehlen, denn sie glaubte an ihn, und ihr nächtlicher
Wunsch, der wie ein Hund vor ihrem Lager ruhte, war: Gib mir,
Gott, einen Sohn von Mohammed, oder wenn du es willst, eine
Tochter. Ja, laß mich ein Tier gebären: eine Schlange oder ein
Kalb – eine Quelle oder einen Felsen – nur daß ich von ihm
schwanger werde und ihm ein Lebendes oder Totes gebäre. Denn
alles ist gut, was von ihm kommt: es sei nun die Geißel oder
der Kuß. Die Liebe oder die Verachtung. –
Maria, die Koptin, ging durch die Stadt mit einer kleinen
Glocke und läutete. Und das Volk strömte herbei; Männer und
Weiber und Kinder, und ein alter Mann im weißen Bart
– es war aber Abu Bekr, ein gelehrter Sonderling – fragte:
»Was läßt du, schönes Mädchen, die Glocke klingen? Bist du
nicht Maria, die Koptin? Läutest du zu einem bunten Fest mit
Wein, Musik und Reigen? Siehe, die Sonne steht hoch und brennt
um unsere Stirnen wie nahe Fackeln. Erwarte den lauen Abend,
die trauliche Nacht und rufe dann, aber leise, mit dem Zeichen
eines Vogels, die Liebenden.«
Maria aber sprach: »Ich bin Maria, die Koptin, und lade
euch, Kureischiten, im Auftrage meines Herrn Mohammed zum
Fest. Er wartet euer auf dem Platze vor der Kaaba und bittet
euch, sofort zu kommen. Wer zu ihm eilt, der wird im Schatten
wandeln, wenngleich die Sonne im Zenith zürne. Er wird Labung
finden, Trank und heilige Feier.«
So sprach Maria und durcheilte die glühenden Straßen. Es
war ihr, als liefe sie auf glühenden Scheiten. Aber sie spürte
ihre sengenden Sohlen nicht. Sie läutete die Glocke und sprach
ihren Spruch.
Die Kureischiten gingen in ihre Häuser und richteten sich
festlich her. In seidene Tücher hüllten sich die Frauen und
bemalten sich Wimper und Lippe. Goldene Spangen umrankten die
zärtlichen Knöchel. Amulette hingen an geflochtenen Haaren
zwischen den Brüsten: versteinte Skarabeen oder Libellen. Die
Männer schnallten sich ziegenlederne Gürtel um den leuchtenden
Burnus und steckten darein Dolch und Bogen und Flöte. Die
Kinder aber, die keines Schmuckes bedürfen, sprangen nackt
zwischen Eltern und Geschwistern, warfen sich zur Erde nieder,
zum Himmel empor und wieherten wie junge Pferde oder gurrten
wie die Tauben.
Als sie alle versammelt waren (es waren aber unter ihnen
Otba, der Emir, Abu Talib, der Oheim, und Iblis, der Böse),
hielt Mohammed seine Stimme wie einen Schild über sie und
sprach:
»Kureischiten! Brüder und Schwestern! Die Zeit hat sich
erfüllt, daß ich nicht mehr zu einzelnen trete und ihnen
vertraulich von der Wahrhaftigkeit künde. Gott ist auf dem
Berge Hira, der fortan der Heilige Berg genannt sei, zu mir
getreten in Gestalt eines schönen Jünglings und hat befohlen:
Tritt hervor mit dem, was ich dir auftrug. Predige deinem
Volke und senke deine Flügel über die Gläubigen, die dir
folgen. Sprich: ich bin der klare Prediger. Niemand kehrt zur
Heimat denn durch mich.
Kureischiten! Die Zeit hat sich erfüllt. Der Greuel, so ihr
mit Hilfe der Götzen Lat und Uzza verübt, sind genug und
übergenug. Lüge schien euch ein mildes Mittel zum Leben.
Betrug des Bruders, Eid- und Ehebruch erfreulichste Tat. Gold!
stand goldgestickt auf den Bannern eurer Sehnsucht. Gold
glänzte in euren toten Augen. Gold brach euch aus dem Herzen.
Im Golde wühlten eure hohlen Hände. Lat prangte auf goldenem
Sockel. Uzza fraß täglich tausend Unzen Gold. Man sprach zur
Gattin nicht: ich liebe dich. Man sagte: Gold. Man grüßte den
Bruder nicht: Gott segne dich! Man sagte: Gold. Das erste
Wort, das der Säugling sprechen lernte, hieß: Gold. Das
letzte, das des Greises erbleichende Lippe lallte: Gold. Mit
Gold knechtetet ihr eure Brüder, kauftet Sklaven und
Sklavinnen, daß sie euch dienten, dazu nur gut und geschaffen,
lebende Maschinen, euch neues Gold wie Getreide zu dreschen.
Und doch ist ein Sklave ein Mensch wie ihr: mit Blut in den
Adern und Seele im Herzen. Gebt frei, ihr Kureischiten, eure
Sklaven. Sagt: frei sollen sein alle Menschen. Denn alle
Menschen sind Geschwister, geschaffen nach dem einzigen Bilde
des einzigen Gottes. In Freiheit soll jeder tun seine Tat,
jeder denken seine Gedanken, jeder üben seine Übung, jeder
träumen seinen Traum. Jedem soll glücken sein Glück!
Freiheit, ihr Kureischiten, jedem Sohne einer Mutter. Jeder
Tochter eines Vaters.
Dies sei zum ersten gerammt als ein starker Pfahl des neuen
Gesetzes: Freiheit!
Zum zweiten, ihr Kureischiten: reißt herab von ihren
goldenen Thronen die goldenen Götzen Lat und Uzza. Stellt auf
den Sockel des Glaubens den einzigen Geist!
Nicht: Gold! ihr Kureischiten: Geist! sei euer
Feldgeschrei. Es ist nur ein Geist, dem sollt ihr Altäre und
Moscheen bauen. Er warf euch einst den heiligen Stein vom
Himmel! Heut spricht er durch des Menschen Mund zu euch.
Erkennt die Zeichen, die er gab: Gott läßt den Regen der
Sterne nicht vergebens regnen. Umsonst nicht schuf er Weib und
Mann, Sonne und Mond, Tod und Leben: sich ergänzend. Die Erde
ist der Wunder größtes. Der Mensch unmenschlichstes Geschöpf.
Erkennet, Kureischiten, euren wahren Herrn.
Es sei gesteckt der zweite Pfahl des neuen Tempels: der
Glaube an den einzigen Gott! Die einzige Güte! Den einzigen
Geist!
Allah il Allah!«
Mohammed stand gekreuzigt gegen den blinkenden Himmel. Ein
Schweigen lastete eisern über dem heißen Platz.
Da flog ein Stein gegen Mohammed (den ersten aber
schleuderte Iblis der Böse), und dann ein anderer, ein
dritter. Schließlich brach ein Hagel von Steinen über Mohammed
zusammen, aus grauenvoller Stille geworfen.
Mohammed ward, schwer verwundet, von Ali, dem Knaben, und
Maria, der Koptin, in das Haus der Chadidjeh getragen, wo er
vor Sonnenuntergang noch von seinen Wunden genas und sich
dankend im Gebet nach Westen neigte.
Wolken jagten windgetrieben in wunderlichen Figuren über
den Mond: blumenhafte Ornamente, schwarze Ringe, schnaubende
Panther, verträumte Vögel, schlanke Krokodile, märchenwilde
Menschen mit Ziegenbeinen und Widderhörnern.
Pfeifend fegte der Wind den Staub durch die Straßen.
Dann und wann erschien, ruhig und unverwandelt, ein Stern
zwischen den wolkigen Wesen.
Mohammed warf sich schlaflos von einer Seite auf die
andere.
Der Morgen verzieht. Und will und will nicht nahen. – Bin
ich vergessen? Verworfen? Ein Bündel alter Kleider – in die
Ecke? Wer hört mich, wenn ich spreche? Wer sieht mich, wenn
ich schreite? –