Gedichte im Islam
Seida

von
Friedrich Rückert

S e i d a

Als Sultan Fachreddula der Bujide starb,
Und Magdeddula blieb sein Sohn unmündig,
War’s dessen Mutter Seida, die mit starker Hand
In Ispahan für ihn die Herrschaft führte.

Aus Gasna Sultan Mahmud, der schon gern
Dis Reich hätt’ einverleibet seinem Reiche,
Schrieb an die Wittwe: Wenn du Schatzung mir bezahlst,
Wird’ ich dich nicht mit Heermacht überziehen.

Sie aber schrieb dagegen: Als am Leben noch
Mein Gatte, Fachreddule, war, da bangt’ ich,
Du möchtest wenden deine gegen seine Macht,
Im Kampfe deinen Arm mit seinem messen.

Nun aber bang’ ich nicht, dass du ein Weib, ein Kind,
Das er hat unter Gottes Schutz gelassen,
Angreifen werdest, dir zur Schmach, wenn dir’s misslingt,
Und nicht zur Ehre, wenn du überwindest.

Denn Gott ist groß, und unbeständig Menschen-Macht,
Doch unverlierbar ist der Ruhm der Großmuth;
Und wenn den Nachbar du zum Freunde haben kannst,
Thust du nicht klug ihn dir zum Feind zu machen.

Als Sultan Mahmud diesen Brief der Fürstin las,
Hielt er die Mannheit ihres Muths in Ehren,
Und wollte mit der Einverleibung ihres Reichs
In seines bis zu ihrem Tode warten.

Als aber Magdeddula mündig worden war,
Nahm er die Herrschaft aus der Mutter Händen
Auf solche Art, die sie verdroß; sie merkte wohl,
Daß er noch nicht sei ihrer Zucht entwachsen.

Da sammelte sie schnell ein Heer in Laristan,
Schlug ihren Sohn, und nahm die Herrschaft wieder,
Gab ihm die Macht dann und behielt den Rath sich vor,
Und glücklich herrscht’ er, ihren Rath befolgend.

Doch als sie starb, empörten seine Diener sich,
Und Sultan Mahmud kam herangezogen;
Da gab verblendet selbst in seines Feindes Hand
Sich Magdeddula, dessen Großmuth trauend.

Ihn fragteMahmud: „Hast du nicht im Schahname
Von Königen gelesen die Geschichten?“
Er sagte Ja! „Und hast du auch das Königsspiel,
Das Schach, gelernt zu spielen?“ Ja, ich hab’ es.

„So wirst du wissen, dass auf einem Felde nie
Zwei Könige zusammen sich vertragen.“
Gefangen schickt’ er ihn nach Gasna, Leut’ und Land
Nahm er ihm ab, und ließ ihm nur das Leben.

Aus: Sieben Bücher Morgenländischer Sagen und Geschichten

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