Gedichte im Islam
Der Sprachlose Papagei

von Dschalaleddin Rumi

Ein Kaufmann einen Papagei vor Jahren
besaß, in Sang und Rede wohl erfahren.
Der saß als Wächter an des Ladens Pforte
und sprach zu jedem Kunden kluge Worte.
Denn wohl der Menschenkinder Sprache kannt er,
doch seinesgleichen Weisen auch verstand er.
Vom Laden ging nach Haus einst sein Gebieter
und ließ den Papagei zurück als Hüter.
Ein Kätzlein plötzlich in den Laden sprang,
um eine Maus zu fangen; todesbang,
flatterte hin und her der Papagei
und stieß ein Glas mit Rosenöl entzwei.
von seinem Hause kam der Kaufmann wieder
und setzte sorglos sich im Laden nieder
und stieß das Rosenöl allüberall,
im Zorn schlug er das Haupt des Vogels kahl.
Die Zeit verstrich, der Vogel sprach nicht mehr.
Da kam die Reu´, der Kaufmann seufzte schwer.
Raufte sich den Bart und rief: "Weh mir umsponnen
ist mit Gewölk die Sonne meiner Wonnen!
Wär mir, da auf den Redner ich den bösen
Schlag ausgeführt, doch lahm die Hand gewesen!"
Wohl gab er frommen Bettlern reiche Spende,
auf dass sein Tier die Sprache wiederfände;
umsonst! Als er am vierten Morgen klagend,
in tausend Sorgen, was zu machen sei,
dass wieder reden mög´sein Papagei,
ließ sich mit bloßem Haupt ein Büßer blicken,
den Schädel glatt wie eines Beckens Rücken.
Da hub der Vogel gleich zu reden an
und rief dem Derwisch zu: "Sag lieber Mann,
wie wurdest Kahlkopf du zum Kahlen? sprich!
Vergossest du vielleicht auch Öl wie ich?"
Man lachte des Vergleichs, dass seine Lage
der Vogel auf den Derwisch übertrage.

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