Gedichte im Islam
Ihr Muselmänner

von Dschalaleddin Rumi, aus dem Mesnewi übersetzt von Georg Rosen

Ihr Muselmänner! Ach, ich kenn' mich selbst nicht mehr, was fang' ich an?
Ich bin kein Jude kein Christ, kein Parse und kein Muselmann. -
Mich bracht' der Himmel nicht hervor und nicht das Bergwerk der Natur,
Nicht Orient, nicht Okzident, nicht festes Land, nicht Ozean;
Bin nicht aus Erde, nicht aus Luft, aus Feuer und aus Wasser nicht,
Gehöre nicht der Existenz noch späteren Existenzen an.
Ich stamme nicht aus Indien her, aus China, noch aus Turkistan,
Nicht aus dem Reiche von Irak, nicht aus dem Lande Chorassan.
Von Adam und Eva nicht und nicht aus Zeit und Ewigkeit,
Gehöre nicht der Hölle und auch nicht dem Paradiese an.
Kein Ort in dieser Welt ist mein, kein Merkmal soll mein Merkmal sein!
Ich bin nicht Körper und nicht Geist, nur Seinem Geist gehör' ich an.
Die Zweiheit tat ich von mir an, die beiden Welten sind nur eins.
Eins such' ich nur, eins weiß ich nur und eins ich nur besingen kann.
Das erste Er, das Letzte Er, unsichtbar Er und sichtbar Er,
Und außer Ihm allein erkenn' ich keinen andern an.
Und wenn ich einen Augenblick im Leben ohne dich verbracht,
So seh' ich jene Stunde als vergeudet und verloren an.
Und bin ich jemals ganz allein mit Dir im stillen Kämmerlein,
Was geht bei solcher Seligkeit mich diese Welt und jene an?
O „Sonne von Tabris“, ich bin so trunken schon in dieser Welt,
Dass außer Wein und Trunkenheit ich an nichts andres denken kann!

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de